Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

wie angekündigt und von langer Hand vorbereitet, haben wir die Landleinen am Samstag, 22.06.18, in Stellendam losgeworfen und uns mit Karl auf den Weg gemacht, um über den Tellerrand hinaus zu segeln. Bis zum Schluss war es trotz aller Vorbereitungen ein Traum, der von einer auf die andere Minute Realität geworden ist.
Vor dem Start: Nachdem in Lemmer unser Bimini im schicken Grau angefertigt und montiert war, haben wir Karl über Ijmuiden nach Stellendam, unserem geplanten Startort gebracht, und am Wochenende vor der Abfahrt eine tolle Losfahrparty mit Familie und Freund/innen gefeiert.

Feuchtfröhlich, lecker, mit vielen Nettigkeiten und guten Wünschen bedacht haben wir bis morgens gefeiert und waren froh, nicht am nächsten Tag loszufahren.

Die letzten Vorbereitungen für Büro und Wohnung haben bis zur Abfahrt tatsächlich noch jede Minute in Anspruch genommen…aber: geschafft!
Hans wunderbare Tochter Lea hat uns dann Donnerstags nach Stellendam gebracht, letzte Einkäufe, noch ein gemeinsames Abendessen und dann waren die menschlichen Leinen als erstes komplett gekappt. Jetzt war es nicht der Start in einen Jahresurlaub, sondern in ein Jahr Urlaub. Diese Wirklichkeit ist noch gar nicht an allen Stellen von Kopf und Bauch angekommen. Und da am Freitag der Wind ziemlich „krachtig“ über die Nordsee gefegt ist, haben wir noch einige Kleinigkeiten erledigt. Dieselfilter getauscht, ein Gemüsenetz im Salon aufgehängt, zwei angeschraubte Besteckhalter von I..a sind perfekt für Kaffeekanne und andere Kleinigkeiten unterwegs.
Samstagmittag hieß es dann endlich „Leinen los“. Auf dem Weg zur Schleuse mit Karl einen Kreis gefahren und so den Autopiloten kalibriert. Der Begriff „am Rad drehen“ bekommt da eine sehr sinnvolle Bedeutung.
Tanken, anschließend durch die Schleuse und Kurs West mit erstem Ziel Frankreich.
Obwohl die Windrichtung für unseren Kurs fast perfekt ist, funktioniert die Aries-Windfahnensteuerung nicht. Die Ursache ist schnell gefunden…wir hatten das Ruder auf die Schnelle falsch montiert. Das bisherige Ruderblatt war beschädigt und Dank Lian Nelis sind wir jetzt mit einem neuen Ruderblatt unterwegs. Das hatten wir (was so alles passieren kann) aber falsch eingesetzt und damit kommt dann auch die beste Windfahnensteuerung nicht klar 😉 Hans hat kurzerhand mal eben während der Fahrt das Ruder aus dem Wasser geholt, richtig montiert und wieder eingesetzt. Und dann ging’s wunderbar gewindvaned weiter…geplant eigentlich Richtung Calais.
Toller Sonnenuntergang und eine der kürzesten Nächte des Jahres kurz nach der Sommersonnenwende waren angenehme Begleiter der ersten Nachtfahrt unserer Reise. Während Hans wacht, schlafe, döse, schlafe ich tatsächlich fünf Stunden im Salon. Eine gute Vertrauensübung, um meinen etwas ausgeprägten Kontrollzwang zu bändigen. Um halb fünf koche ich Kaffee und um kurz nach fünf legt Hans sich schlafen.
Stunden später, kurz vor Calais, entscheiden wir, noch ein Stück weiter bis Boulogne-Sur-Mer zu segeln. Hier sind wir gezeitenunabhängig und für unsere Weiterfahrt flexibler.
28 Stunden nach unserem Ablegen in Stellendam legen wir in Boulogne-Sur-Mer an. Bisher kannten wir den Hafen nur ziemlich voll, jetzt hätten wir freie Platzwahl, würde uns nicht der nette Hafenmeisterauszubildende gleich winkend einen Platz zuweisen.
Boulogne-Sur-Mer, vertraut, überschaubar, sommerlich warm…alles gut. In der Altstadt essen wir leckere Muscheln und bewundern einmal mehr den Themengarten vor dem Rathaus. Jedes Jahr wird hier ein anderes Thema künstlerisch umgesetzt; in 2018 Motive französicher Fabeln.
Am Montag spätes sonniges Frühstück, ein wenig Werkelei (ohne geht nicht) und immer noch ungläubiges Staunen darüber, dass wir tatsächlich unterwegs sind.
Der vertraute Weg durch den englischen Kanal, so oft entlang gesegelt, die angelaufenen Häfen der Normandie, die schöne Küste bei Sonnenunter- und -aufgang…alles fühlt sich jetzt anders an. Es ist nicht mehr nur der Weg, den wir, wie in den letzten Jahren, nach kurzer Zeit wieder zurück müssen. Neugierde, Lust, Aufregung und Freude mischen sich mit der Feststellung, dass es gar nicht so schnell geht, von einem auf den anderen Moment alles loslassen zu können. Festzustellen, wie sehr wir an Termine, Verpflichtungen und Regelmäßigkeiten gewöhnt sind und nicht einfach in den Spaßmodus schalten können, ist eine beeindruckende und intensive Erfahrung. „Loslassen“…die Theorie ist verstanden, an der Umsetzung in die Praxis arbeiten wir momentan noch.
Auf jeden Fall ist es ein Geschenk des Lebens, diese Reise antreten zu können. Auch wenn, oder vielleicht weil wir noch nicht im Auszeit-Modus angekommen sind, fühlt sich diese Reise besonders an. Heinrich Heine hatte schon Recht: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“.

Mittlerweile liegen wir nach einer turbulenten Fahrt im Hafen von Cherbourg. Aber davon berichten wir morgen…

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