Die weisse Stadt ?

„Wer Lissabon nicht sah, hat noch nichts Schönes gesehen“ (Lissabons Einwohner/innen über Lissabon)

Wir wiederholen uns eigentlich nur ungern, aber wieder geht es bei Nebel und Niesel Richtung Lissabon – unter Motor. Erst ab Cabo de Roca, westlichster Punkt des europäischen Kontinents, lichtet sich ganz langsam der Nebel und es kommt tatsächlich Wind auf. So können wir die letzten 15 Meilen bei halbem Wind mit dem Strom (auflaufende Flut) ordentlich mit Spitzen von 10 Knoten den Tejo hochsegeln. An Cascais vorbei wollen wir eigentlich zu Martina und Chris von der SY Tiger Blue, die einen Platz am ehemaligen Expo-Gelände in der dortigen Marina gefunden haben. Bei dem Wind machen uns die zusätzlichen 10 Meilen auch nichts aus, sie erhöhen nach so vielen Motorstunden eher den Spassfaktor (auch den unserer Crew). Zur Sicherheit ruft Silke noch vorher in der Marina an und erfährt, dass kein Platz mehr frei ist. Schließlich wollen wir, je nach Wetterfenster für unsere Überfahrt nach Porto Santo, bis zu einer Woche bleiben. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet, der Segelspass wird drastisch ausgebremst. Gerade sind wir am Wahrzeichen Lissabons „Torre de Belem“ und dem von den Faschisten 1940 errichteten Denkmal der Entdeckungen, das die Entdecker aber auch Portugal als Kolonialmacht glorifizieren sollte, vorbeigesgesegelt. Unter der beeindruckenden (aber auch lauten) Brücke des 25. April hindurch, da erfährt Silke über Funk, dass wir in der Marina Alcantara einen Platz für drei Tage bekommen können. Alcantara (Stadtteil von Lissabon) liegt direkt unter und um die Brücke herum. Also Segel runter und scharf Backbord (von uns aus links) Richtung Hafen. Vor uns ein holländischer Segler und eine Drehbrücke vor dem Hafen. Als diese nach kurzer Zeit öffnet, sehen wir als erstes ein Plattbodenschiff aus Enkhuizen. Das ist aber auch alles, was uns an unser heimisches Segelrevier Ijsselmeer erinnert. Der Hafen ist auf den ersten Blick ungemütlich. Industriehafen mit Marina, grosse laute Brücke, mitten in der Einflugschneise zum Flughafen. Aber immerhin, wir haben einen Platz und abends kommt dann zur Freude aller auch noch die Sonne heraus. Die Stimmung bessert sich noch mehr, als wir mit Spaghetti aglio e olio e scampi verwöhnt werden. Lissabon, wir sind angekommen.

Einen Tag express Lissabon. Lea hatte sich in Alcantara ein Projekt herausgesucht, wo sie und auch wir gerne hinmöchten. Abseits des grossen Mainstreams. LXFactory, ein umgebautes Fabrikgelände mit viel Kunsthandwerk, Kneipen und Cafés. Hört sich interessant an, ist es auch. Bei strahlendem Wetter schlendern wir über das Gelände und geniessen die Atmosphäre. Danach besuchen wir noch ein Künstlerprojekt direkt nebenan. Etwas skurril, weil es direkt am Strassenbahndepot liegt und man sich beim Pförtner anmelden muss. Village Underground, eine Ansammlung von Containern, in denen Künstler/innen ihre Ateliers haben. Einen Abstecher ist alleine schon das Strassenbahndepot wert. Direkt davor fährt auch eine der alten Stassenbahnen in die Innenstadt. Eine Fahrt ist ein absolutes must have. Also fix gleich ein 24-Stunden-Ticket für 6,40 € p.P. gekauft und los ging die Fahrt.
Wir lassen uns treiben…zur Burg Castelo de Sao Jorge, durch die Alfama, Praca do Comercia, zum Stadtteil Baixa und zum Bairro Alto, in dem wir uns abends mit Martina und Christian treffen, gemeinsam essen gehen und Abschied feiern. Die beiden müssen für zwei Wochen nach Hause und danach wollen sie über die Algarve zu den Kanaren. Vielleicht treffen wir uns ja dort wieder. Wir würden uns freuen.

Lissabon, für mich ist es nach 1980 und 2011 das dritte Mal, daß ich dort bin und mit jedem Mal erlebe ich Lissabon hektischer und voller. Die Stadt hat mit der, die ich vor fast vierzig Jahren kennengelernt habe, nicht mehr viel zu tun. 2011 waren Silke und ich zusammen für eine Woche hier und schon da hatte sich viel verändert. Jetzt ergeht es Lissabon wie vielen anderen Städten auch. Sie werden von Tourist/innen überschüttet, verlieren langsam aber sicher ihre Identität und werden immer austauschbarer. Da gibt es die grossen Kreuzfahrer, die möglichst mitten in der Stadt anlegen, die roten Rundfahrtbusse, und selbst Tuk Tuks, die die Massen hin- und herkarren; dies alles hat mit den Städten rein gar nichts mehr zu tun…

Aber das ist wohl der Gang der Zeit und wir sind Teil dessen. Lissabon ist trotz alledem immer noch schön.

Am nächsten Mittag gehen 10 Tage für Alex und Lea schon zu Ende. Schön war’s mit den Beiden und auch wenn es ganz schön eng war, danke für Euren Besuch. Wir bringen sie noch mit der Metro auf den Weg zum Flughafen, steigen aber selbst schon am ehemaligen Expo Gelände aus (beeindruckende Metrostation vom Architekten Calatrava). Hier kann man shoppen und letztlich wollen wir uns dann doch noch auf einen Absacker mit Martina und Christian treffen. Die fliegen am nächsten Morgen, wir fahren mit dem Bus und den letzten Kühlschrankvorräten der Tiger Blue zurück zu Karl, räumen auf, um am nächsten Morgen die Marina zu wechseln. Es geht nach Oreias, 8 Meilen gen Westen aus der Stadt hinaus in eine Luxusmarina mit Swimmingpool und morgens Brötchen an Bord…alles im Service inbegriffen.

Seit Tagen beobachten wir natürlich die Wettersituation für die Überfahrt nach Madeira bzw. Porto Santo. Gerne wären wir noch länger in Lissabon geblieben, aber wir erwarten  am 11.09. neuen Besuch auf Madeira . Samstagnachmittag, nachdem der Wind auffrischt, geht es bei schönstem Sonnen- und Segelwetter los Richtung Südwesten.

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