Viel Sand und Steine : Insel der Ziegen
Unsere 6. Kanarische Insel ist also Fuerteventura.
Wir wissen, dass uns viel Sand und viele Steine erwarten. So ist es dann auch und Hans meint scherzhaft, wir könnten den Blogeintrag damit eigentlich auch schon beenden 😉 Damit würden wir der Insel aber natürlich nicht ganz gerecht und nach den westlichen Inseln mit wechselnder Landschaft, mit Lorbeer- und Kieferwäldern, tiefen Schluchten und atmosphärischen Orten hat Fuerteventura es zudem schwer, zu punkten. Aber wer weiß, ob nicht auch hier Besonderheiten auf uns warten.
Bei unserer Überfahrt nach Fuerteventura am 14.02.19 haben wir überwiegend für uns guten Wind mit bis zu 25 Knoten aus Nord, während der Starkwind mit bis zu 50 Knoten in Böen besonders über die westlichen Inseln fegt. Am nächsten Tag tanzen dann auch in Morro Jable im Süden Fuerteventuras die Boote im Hafen. Auf der anderen Stegseite liegen zwei Ausflugsboote (Segelboote 41 und 43 Fuß groß), von denen eins mit fester Skipperin täglich zwischen 11.oo und 15.oo h mit bis zu 8 Gästen zu einem Tagesausflug startet. Obwohl für den 15.02. Starkwind angekündigt ist, verläßt das Boot zu unserer Überraschung auch an diesem Tag den Hafen. Der Wind nimmt zu, unser Windmesser zeigt in der Spitze 34,6 Knoten an, das Ausflugsboot kommt um 15.00 h zurück und das Hafenkino beginnt. Die ersten Anlegeversuche mißligen, weil das Boot einfach nicht durch den Wind will. Also neuer Versuch… Riesige Kugelfender werden vom Bootsinhaber an den Steg gehängt, telefonisch bespricht er mit der Skipperin das Anlegemanöver und mit Vollgas schießt das Boot rückwärts an (nicht in) den Fingersteg. Es rumst und knirscht, der gesamte Steg gerät heftig in Bewegung. Der Wind drückt das Boot beim Anlegen so heftig gegen den Steg, dass die riesigen Kugelfender nach oben schießen. Gemeinsam schaffen wir es trotzdem, das Boot ordentlich festzumachen und abzufendern und 8 staunende bis blasse Ausflugsgäste bedanken sich überschwänglich bei der Skipperin, die ihre Sache wirklich gut gemacht hat. Eine gute Visitenkarte für den Anbieter, der das Boot trotz der klaren Windvorhersage rausgeschickt hat, war das allerdings nicht.
Sanitäre Anlagen gibt es in der Marina nicht, öffentliche Toiletten immerhin neben dem Café. In dem Gebäude sind auch die Büros von Hafenmeister und Sicherheitsdienst untergebracht. Der Hafenmeister ist die ersten Tage nicht zu sehen, wir bezahlen beim Sicherheitsdienst und erfahren später, dass der Hafenmeister vor kurzem einen Herzinfarkt erlitten hat.
Der Hafen in Morro Jable gefällt uns trotz mehrerer negativer Kritiken sehr gut. Wir liegen neben schönen Fischerbooten, die Fähre ist nicht laut, eher schon die Waschanlage der Tankstelle auf der anderen Seite des Hafenbeckens, die bis ca. 23 h in Betrieb ist. Fischer landen ihren Fisch an, ein großes einfaches (wenn auch nicht gerade kostengünstiges) Fischrestaurant und ein Café locken einige Gäste und mindestens 10 riesige Rochen sind die Attraktion für Jung und Alt. Tütenweise wird altes Weißbrot als Lockmittel ins Wasser geworfen und so mancher Fisch entgeht nur Knapp dem Tod durch Erschlagen. Die ökologischen Folgen dieser hier überall anzutreffenden ausufernden Fütterungsaktionen haben für die Brotsammler leider nicht einmal den Stellenwert einer Petitesse.
Recht lieblos die Schildkrötenaufzuchtstation gleich neben dem Hafen. Obwohl von Besucher/innen in kleinen Gruppen zu besichtigen, hat sie zur eigentlichen Öffnungszeit geschlossen und wirkt eher trostlos.
Ohne Auto geht auch hier nicht viel, wenn man die Insel erkunden will. Praktisch, dass sich ein Autoverleih direkt am Fähranleger befindet (weil wohl ein normaler Fiat 500 nicht verfügbar war, bekommen wir diesmal zum selben Preis sogar einen 500er Cabrio 🙂 *Anmerkung vom Hans). Die wichtigste Straße der Insel verbindet den Südosten mit dem Nordosten, einige führen durch die Inselmitte, die gesamte Westseite ist über Nebenstraßen oder Schotterpisten zu erreichen. Zunächst geht es nach Gran Tarajal, um uns dort den Hafen anzusehen und dann gewinnt uns die Stadt direkt mit ihrer Normalität. Hier sind die Straßen und Cafés mit Spanierinnen und Spaniern gefüllt, hier wird gelebt, gespielt und etliche Wandmalereien verleihen ansonsten tristen Hausfassaden ein freundliches Aussehen…wir fühlen uns auf Anhieb wohl hier.
Auf dem Weg an die Westküste fahren wir an den südlichen Ausläufern des zentralen Berglandes vorbei und der kleine Ort Toto mit nur noch 300 Einwohner/innen ist der erste von vielen zerfallenden Ortschaften, die wir in den nächsten Tagen über die gesamte Insel verteilt sehen werden. Das zunehmend trockene Klima macht Landwirtschaft nicht mehr möglich, die Orte werden verlassen, Anbaufelder liegen brach, Häuser verfallen und mit viel Glück können diese Orte heute direkt oder indirekt vom Tourismus leben. Wie Mahnmale erinnern die Hausruinen an bessere, aber sicher auch nicht einfache Zeiten.
Weiter geht es zu unserem eigentlichen Ziel, der Felsformation Monumento Natural de Ajuy. Die etwa 120 Mio. Jahren alten Kalksedimente, die sich in der Kreidezeit gebildet haben, sind älter als die Kanarischen Inseln. In der Bucht werfen sich übermütige Jugendliche in die Wellen. Wir kommen an zwei Brennofenschächten vorbei, in denen früher der Kalk gebrannt wurde. Über mehrere Treppen mit Blick auf die von der Brandung bizarr geformten Felswände geht es dann weiter zu den zwei Höhlen, die früher als Lagerräume dienten. Draußen tobt die Brandung, aber heute wird die erste Höhle nicht überspült, so dass wir bis zur zweiten weiterklettern können.
Nach dem beeindruckenden Naturschauspiel steuern wir den Astronomical Viewpoint Sicasumbre an. Ein toller Blick natürlich, besonders nachts soll man hier mit Hilfe von Sternenkarten die Jungfrau, den Bärenhüter und den Raben beobachten können. Da aber erst Nachmittag ist…
Tags darauf bleiben wir auf der Halbinsel Jandia im Süden und fahren erst einmal zum Leuchtturm am südwestlichsten Punkt Fuerteventuras. Anschließend ins nicht weit entfernte Puerto de la Cruz, ein winziger Ort der ganz besonderen Art. Ein paar Häuser, kein Geschäft (auch kein Minimarkt), drei Restaurants, ein Campingplatz und zwei Boulebahnen, die aber längst nicht mehr benutzt werden. Hier soll es die beste Fischsuppe Fuerteventuras geben, aber leider erst ab 4 Personen. Wir sind nur zu zweit und „genießen“ nach offenbar zu geringem Essenskonsum zwar die etwas kühle Schulter der Chefin, aber auch den erstklassigen Blick aufs Meer.
Die anschließende Fahrt zum Playa de Cofete hat sich in doppelter Hinsicht gelohnt. Gleich neben dem Parkplatz befindet sich der Friedhof von Cofete, einem Dorf mit wenigen Bewohner/innen, das es seit 1960 offiziell nicht mehr gibt. Die Gräber sind verweht, versandet, das Eingangstor ist erhalten, mehrere Gräber und Grabkreuze erkennbar…und gleich dahinter, wir trauen unseren Augen nicht: ein langer breiter reiner heller Sandstrand. Fast menschenleer, weil es kein Badestrand ist. In den Wellen hier sind schon mehrere Menschen ertrunken, die die Unterströmung des Atlantiks unterschätzt haben.
Von den Kapverden werden Schildkröteneier hierher gebracht, im Sand verbuddelt und die jungen Schildkröten nach dem Schlüpfen dann für drei Jahre in die Aufzuchtstation nach Morro Jable gebracht. Anschließend werden sie in Cofete am Strand wieder ins Wasser und in die Freiheit entlassen. Im Hintergrund die Villa Winter, um die sich weniger schöne Nazigeschichten ranken. Eine ganz eigene Stimmung vermittelt dieser Ort; wir sind fasziniert und machen uns nur ungerne auf den Rückweg.
In Agua de Buyes im Zentrum Fuerteventuras werden wir von aggressiv kläffenden Hunden begrüßt, ein alter Mann schlurft durch den Ort, andere Menschen sind nicht zu sehen. An den Bäumen vor dem Kirchplatz warnen Schilder vor Berührung der Bäume, da diese mit giftigen Mitteln behandelt wurden. Wir fahren weiter nach Valles de Ortega, wo mehrere Windmühlen an frühere Zeiten erinnern, als die Bauern noch von der Ernte ihrer Äcker lebten. Die Landschaftsbilder auf den Fahrten über die Insel ändern sich nicht wirklich, karge Hügel, verfallene Häuser, Ziegen, winzige verfallende Ortschaften und der jetzt schon länger anhaltende Calima taucht zusätzlich alles in einen braunen Sandnebel. Die Sonne bemüht sich redlich um Stimmungsausgleich.
Durch Antigua geht es weiter zu einer Aloeverafabrik, die Bioprodukte herstellt und Betriebsführungen anbietet. Eine Mitarbeiterin zeigt uns, wie aus dem Blattmark das Gel gewonnen wird. Wieder was dazu gelernt. Da die Fahrt durch’s Landesinnere doch etwas monoton ist, zieht es uns immer wieder zur Küste. Quasi nur einen Steinwurf von der Aloeverafabrik entfernt befinden sich die Salinas de el Carmen mit angrenzendem Museum. Hier wird jedoch Salz nur noch in winzigen Mengen für den Verkauf im Museumsshop gewonnen. Warum das so ist, wird nicht erklärt. Zum ersten Mal sehen wir hier Atlashörnchen (Erdhörnchen), die immer wieder aus den Mauern krabbeln. Finden wir ganz niedlich und lesen dann aber, dass diese Tiere hier auf der Insel in den 1960er Jahren eingeführt wurden und mittlerweile zur regelrechten Plage geworden sind. Sie fressen jedes Blatt, Samenkorn und jede Frucht, die ihnen in die Pfoten kommt. Von Tourist/innen zudem oft gefüttert (obwohl verboten), vermehren sie sich zunehmend und bedrohen die einheimische Pflanzen- und Tierwelt. In den nächsten Tagen springen sie uns an einigen Stellen tatsächlich fast über die Füße. Sehen trotzdem putzig aus.
Am nächsten Tag noch einmal zur Küste im Südosten zum Risco del Paso. Hierher zieht es viele Surfer, weil es hier eine Lagune gibt und weil die Wellen selbst im Sommer bis zu 2 Meter hoch sind. Wieder heller Sand…weiter, als wir sehen können. Die Badelustigen haben sich neben dem Strand viele kleine Nester aus Ästen gebaut, in denen sie Schutz vor dem Wind suchen.
Obwohl unsere weiteren Ziele heute auf der Ostseite sind, queren wir die Insel an der schmalsten Stelle und fahren zum Playa de La Pared an die südliche Westküste. Zwei Buchten liegen idyllisch zwischen zerklüfteten Felsen, aber auch hier herrscht starke Strömung und hoher Wellengang.
Da wir uns ohnehin nicht satt sehen können, fahren wir wieder Richtung Ostseite zum Faro de la Entallada. Mittlerweile ist Hans im Schotterstraßenfahren geübt, die 7 km lange, teils abenteuerliche Strecke zum Faro kann uns da auch nicht mehr schrecken. Direkt an der Steilküste in 185 m Höhe wurde der Leuchtturm 1920 gebaut und kann besichtigt werden, so er denn nicht geschlossen ist. Ist er aber heute.
Auch das passiert uns auf Fuerteventura häufig. Einige Gebäude/Orte sind offenbar sogar seit Jahren geschlossen, obwohl offiziell noch Öffnungszeiten angegeben werden. Der Leuchtturm ist also geschlossen, wir geniessen trotzdem die Aussicht und winken einmal nach Afrika rüber, da die Entfernung von hier aus nur 100 km beträgt.
Nicht weit vom Leuchtturm entfernt machen wir danach noch im kleinen Las Playitas halt und sind überrascht, welches Kleinod an Idylle sich doch auf dieser Insel manchmal versteckt.
Am nächsten Tag dann Vorbereitung zum kleinen Schlag (landläufig=Kurzstrecke) Richtung Norden. Der Calima ist auch an Karl nicht spurlos vorbeigezogen und also bekommt er vor unserer Weiterfahrt nach Gran Tarajal noch eine Katzenwäsche, die Hans und ich uns ja wegen fehlender Duschen hier seit Tagen gönnen 😉