Jenseits des Rubicon…

Um acht Uhr heisst es „Leinen los“ im schönen Gran Tarajal. Gern wären wir noch ein paar Tage geblieben, aber der Wind gibt uns unseren Fahrplan vor.

Der momentan recht kräftige Nord-Ost-Passat soll auf Ost drehen, sich deutlich abschwächen, aber nach nur einer kurzen Verschnaufpause von einem Tag wieder der Alte sein. Also nutzen wir die Chance, eventuell unter Segel Lanzarote zu erreichen. Gut eine Stunde vor uns hat die SY Nirvana mit Ziel Arrecife den Hafen verlassen.

Kalt ist es, trotz wolkenlosem Himmel und reichlich Sonne. Kalt ist natürlich relativ, nach so langer Zeit empfinden wir alle Temperaturen unter 20 Grad schlichtweg als kalt. Aus dem Hafen raus, die Segel hoch, denn wir haben tatsächlich Wind aus Ost. Nicht viel allerdings, so dass die Genua auch schnell wieder eingerollt ist. Über Funk berichtet uns Rolf von der Nirvana, daß auch sie motoren. Seit der Überfahrt von Gran Canaria nach Fuerteventura hatten wir auf Kanal 16 (internationaler Notrufkanal im Marinefunk) marokkanische Fischer, die über dies oder das per Funk auf diesem Kanal korrespondierten. Da wir der Sprache nicht mächtig sind, ist das auf Dauer total nervig, zumal es vorgeschrieben und sinnvoll ist, Kanal 16 dauerhaft abzuhören und der Kanal ausschließlich für den Notfall freigehalten werden muss. Andere Länder andere Sitten, die Marokkaner sehen das wohl nicht so eng.

So motoren wir bei ruhigem, sonnigen Wetter die Küste von Fuerteventura nach Norden, vorbei an dem Leuchtturm Faro de la Entellada, den wir ein paar Tage vorher ja von Land aus schon besucht hatten. Näher an Afrika (keine 60 sm) werden wir ab jetzt wohl nicht mehr kommen.

Als wir uns den Dünen südlich von Corralejo nähern, briest der Wind auf 10 -15 Knoten auf und wir segeln bei wunderbarstem Wetter östlich an der kleinen Insel Lobos vorbei, Richtung Lanzarote. Nördlich von Lobos läuft eine grandiose Brandung auf die kleine Insel. Brecher mit einer Höhe von 5 Metern und mehr versetzen die ganze Nordseite in eine Gischtwolke. Es ist fast unwirklich, keine Meile davon entfernt vorbeizusegeln und nur die gleichmäßige Dünung des Atlantiks zu spüren.

Um sechs machen wir am Rezeptionssteg der Marina Rubicon im Süden von Lanzarote fest, füllen unsern Tank auf und werden vom Marinero zu unserem Liegeplatz begleitet.

Kulturschock.

Waren die Häfen in Fuerteventura doch recht einfach und kommunal, empfängt uns hier eine Marina im amerikanischen Stil: das Marinabüro neben einem kleinen stilisierten Leuchtturm, Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants wechseln sich ab, ein Swimmingpool, der aber aus unerfindlichen Gründen geschlossen ist und sogar eine Shoppingmall. Fast 600 Liegeplätze für alle Schiffsgrössen und mittendrin der kleine Karl. Tourist/innen flanieren den ganzen Tag im Hafen, geniessen die Sonne und die Restaurationen, die sich, wie man schon vermuten kann, preislich auf deutlich höherem Niveau bewegen. Am nächsten Tag besuchen wir eins der Cafés in unmittelbarer Nähe zum Boot und wundern uns nicht, dass ein Glas Sangria 7,50 Euro kostet. Einmal gönnen wir uns das, haben aber jetzt auch das WLAN-Passwort des Cafés. Auf dem Boot haben wir ab jetzt einen prima Internetzugang. Für unseren Karl ist die tgl. Liegeplatzgebühr von ca. 20 Euro dagegen schon fast human, wenn auch für die Kanaren in der obersten Preiskategorie. Da wir auf unseren Besuch, Max und Ruth kommen am 6. März, warten, haben wir ein paar Tage Zeit, um uns und auch Karl auf die zehn Tage mit den beiden vorzubereiten. Karl wird herausgeputzt (das kommt vor allem unserer Petroleumlampe im Salon zu Gute), die vordere Kabine wird freigeräumt (zu Zweit ist das unser Abstellraum und man fasst es nicht, was sich da so alles ansammelt) und wir erkunden die direkte Umgebung, so weit meine läuferischen Fähigkeiten dies zulassen (ja, der Ischias quält uns beide mal mehr mal weniger. Beide, denn wenn’s richtig weh tut, ist die Stimmungslage nicht die beste und der Aktionsradius beschränkt, so dass auch Silke gleichermaßen davon betroffen ist).

Marina Rubicon, die einen finden, das sei die schönste Marina der Kanaren, die anderen, wir eingeschlossen, fühlen uns wie im Disneypark. Ja, die Architektur orientiert sich an der ortsüblichen, maximal zweigeschossigen Bauweise, alles schön weiss, aber das gesamte Ensemble wirkt künstlich und aufgesetzt. Hier wird der Tourismus bedient, nicht mehr und nicht weniger. Die Krönung ist in der benachbarten Ferienanlage ein mächtiger künstlicher Vulkan. Vielleicht, um die Bauordnung zu umgehen, schließlich handelt es sich um einen Vulkan und die sind ortsüblich ja wesentlich höher als die erlaubten zwei Geschosse. Trotz alledem wird hier behutsamer gebaut als auf den Nachbarinseln; dem beeindruckenden Inselarchitekten Manrique sei Dank

Am 3. März halten wir es in Rubicon nicht mehr aus ? und besorgen uns mal wieder einen Mietwagen. Natürlich ist der Verleih direkt in der Marina, wo sonst. Zuerst geht es in den Nachbarort Playa Blanca. Hier gibt es durchaus ältere städtebauliche Strukturen, aber auch den Fährhafen Richtung Fuerteventura. Weiter an der Küste zum Leuchtturm am Punta Pechiguera. Hier, wie immer faszinierend, die enorme Brandung, dann geht es durch ungewöhnlich flache, von Lava geprägte Landschaft nach Yaiza.

Wir beide kennen Lanzarote von Urlauben Anfang der neunziger Jahre. So kommen Erinnerungen hoch und Yaiza ist bei uns als sehr schöner Ort hängen geblieben. An Rande des Timanfaya Naturschutzgebietes ist es bei den grossen Vulkanausbrüchen im 18. Jahrhundert gerade eben verschont geblieben. Die Vorstellung, zu der Zeit auf der Insel gewohnt zu haben, erzeugt beim Anblick der Lavamassen Gänsehaut.

Sowohl Yaiza als auch der Nachbarort Uga faszinieren durch Schlichtheit und die Liebe der Menschen zu ihren Dörfern. Im Gegensatz zu Fuerteventura scheint hier jede/r Bewohner/in bemüht, alles adrett und sauber zu halten. Die Häuser und die Gärten sind gepflegt und kein Fitzelchen Abfall ist zu entdecken. Die Schweiz der Kanaren. Am Nachmittag besuchen wir noch die wunderschönen Papagayo-Strände. Hierher kehren wir natürlich noch in den folgenden Tagen zurück, um auch die Unterwasserwelt zu erkunden.

Am Rosenmontag haben uns Inge und Ralf von der SY malwieder nach Arrecife eingeladen. Die Beiden haben wir auf La Palma kennengelernt, als wir alle noch über den Atlantik wollten. Zweitens kommt es anders, erstens als man denkt… So treffen wir uns zu Karneval in Arrecife. Zusammen mit Gabi und Rolf werden wir am Nachmittag zu Kaffee und Kuchen auf der malwieder an Bord empfangen, um dann nach leckerem Pflaumenkuchen frisch gestärkt zum Rosenmontagszug in Arrecife aufzubrechen. Mit den Crews von weiteren sechs Schiffen (SY malwieder, SY Witch, SY Nirvana, SY Alunga, SY Timoun, SY just4fun) ging es dann zum Umzug. Auch wenn es nicht das Spektakel wie in Teneriffa, Gran Canaria oder La Palma ist, für diese kleine Insel war schon ganz schön was los und hat es viel Spass gemacht.

Nach dem Umzug geht es mit der ganzen Truppe zum asiatischen Essen, wo es mit Inge und Ralf noch recht spät wird. Auf dem Weg zur Marina lernen wir noch den wunderschönen Charco de San Ginés, eine natürliche Meerwasserlagune, kennen. Mit vielen echten Eindrücken geht es dann mit dem Mietwagen zurück in die künstliche Welt “ jenseits des Rubicons“ .

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