Auf nach Portugal

Nach der ersten recht schwelligen Ankernacht vor den Islas Cies entscheiden wir, umzuziehen. Wir fahren in eine größere und dazu wesentlich hellere Ankerbucht vor einem Sandstrand und müssen erst einmal Obacht geben, weil morgens in dieser Bucht von etlichen Booten aus nach Muscheln getaucht wird. Überall blubbert es um uns herum, wir tasten uns vorsichtig an eine freie Stelle heran, bevor sich der Anker auf ca. 6 Metern Tiefe eingraben kann.

Nach einem weiteren schönen Tag mit langem Spaziergang über die Insel gehen wir am Dienstag, 14.08., ankerauf und segeln wieder zum Festland nach Baiona. Hier wird unser letzter Aufenthalt in Galizien sein, den wir aber die kommenden Tage noch intensiv genießen. Baiona hat zwar nur 12.000 Einwohner/innen, im Sommer tummeln sich hier aber zusätzlich an die 50.000 Touristinnen und Touristen. Die Strände sind entsprechend gut gefüllt, die kleinen Gassen im historischen Stadtkern besonders abends ebenfalls. Tagsüber fällt in den leeren Straßen und Gassen der unglaublich hohe Wohnungsleerstand und starke Zerfall vieler Häuser auf, abends öffnen die unzähligen Restaurants und Tapasbars ihre Pforten und das rege Treiben lenkt den Blick auf Speisekarten und einen zu ergatternden freien Tisch. Um 20.00 h überall noch gähnende Leere, um 22.00 h sind alle Läden rappelvoll, es riecht verlockend nach Sardinen und Paella.

Einen kurzen Besuch statten wir auch der „Pinta“ ab. Die Nachbildung der Karavelle, die an der ersten Amerikareise von Christoph Kolumbus teilgenommen hat und im März 1493 bei der Ankunft in Baiona die Entdeckung Amerikas verkündet hat, vermittelt uns den Eindruck, dass wir zu Zweit auf unserem „Karl“ doch sehr sehr komfortabel reisen.

Überwiegend auf dem Plaza del Ayuntamiento finden zu verschiedenen Anläßen über mehrere Wochen Kulturveranstaltungen statt. Wir erleben ein Konzert mit argentinischen Liedern, zu unserer Freude auch mit Liedern von Mercedes Sosa. Freitagabend dann, unserem letzten Abend in Baiona, besuchen wir hier ein Konzert mit kubanischen Liedern. Es ist frisch geworden, der Wind weht durch die komplett besetzten Stuhlreihen. Viele Besucher/innen haben dicke Jacken an, nur die kubanische Sängerin ist nicht auf diese Temperaturen eingestellt, hält aber gut gelaunt und tapfer im ärmellosen Kleid durch und beeindruckt mit ihrer Stimme.

Dieser Abend war so schön, dass uns der Abschied von Spanien noch ein wenig schwerer fällt. Wir sind dankbar für die unglaublich schönen letzten Wochen, die wir hier verbringen durften. Galizien ist eines der schönsten Segelreviere, die wir bisher erlebt haben. Draußen Atlantiksegeln und in den Baixas tolles Kreuzen oder ruhiges Vorsichhinsegeln. Daß wir hier auch viele Stunden motoren mußten, blenden wir mal aus. Immer wieder ertrinkt das Auge in den schönen Küstenlandschaften und der Wildheit des Wassers, oft auf der Hut vor den aus dem Wasser ragenden Steinen, Hin- und Hergerissen vom Nebel, der die Sicht zwar trübt, aber auch ein faszinierendes Naturschauspiel bietet. Etliche Buchten mit Sandstränden, in den Städten toben die Kinder von den Eltern beobachtet bis in den späten Abend auf den Spielplätzen, eisversessene Städte wie A Coruna, frische Austern auf dem Sonntagsmarkt, der leckere Albarino-Wein aus den Baixas, gemütliche Gassen, schöne Wanderungen in den Klippen, romantischer Sonnenaufgang, Museen…wir haben viel gesehen, alles genossen, wurden überall freundlich empfangen und haben doch nur einen Bruchteil gesehen. Grund genug, noch einmal hierher zurückzukommen.

Mit einer Träne im Knopfloch haben wir uns also am Samstag, 18.08., von Baiona aus auf den Weg Richtung Portugal gemacht. Nur mit Genua und Nordwind im Rücken (der bekanntermaßen aber immer kalt ist, egal, woher er kommt) und noch ordentlicher Welle vom starken Wind des Vortags hatten wir eine schaukelige und kühle Fahrt. Die Wellenberge von hinten heben Karl an, rauschen unter ihm durch oder nehmen ihn wieder mit hinunter…bis zum nächsten Mal. Die seitlichen Wellen schupsen ihn nach links, er wippt mehrmals hin und her; dabei klappern Teller und Töpfe im Schrank, mal öffnet sich eine Schranktüre, mal schießt die Thermoskanne durchs Boot. Wie gut, dass unser Gemüse und Obst im Netz nur kardanisch 😉 hin- und herschwankt.

Unser eigentliches Ziel Viana do Castelo, eine der schönsten Städte Nordportugals, können wir leider nicht anlaufen, weil dort vier Tage lang die Romaria de Nossa Senhora d’Agonia gefeiert wird (ein Fest zu Ehren der heiligen Jungfrau von Agonia, die auch Schutzheilige der Fischer ist). Leider haben wir von diesem Fest erst gelesen, als wir schon unterwegs waren und so teilt uns der Hafenmeister beim Anruf fast amüsiert mit, dass der gesamte Hafen pickepackevoll ist. Also sind wir mit satten 8 Knoten an Viana do Castelo vorbeigerauscht und haben Povoa de Varzim angesteuert. Wir hätten zwar gerne auf weitere Schaukelei verzichtet, aber sowas kommt von sowas 😉 Unser erster Halt in Portugal dann also ca. 15 Seemeilen weiter.

Der Hafen Povoa de Varzim ein riesiges Areal, auf dem das kleine Hafenbürohaus steht, etwas entfernt die sanitären Anlagen. Dazwischen aufgebockte Schiffe, etliche (Stahl) rosten oder gammeln (Holz) vor sich hin. Viele befinden sich aber auch bereits im Winterlager, an anderen wird gewerkelt. Der Platz staubig, ein paar Hunde streunen herum, ziemlich abseits ein zum Hafen gehörendes Restaurant, das noch geschlossen hat. Der Hafenmeister sehr freundlich, die Zugangstore digitalisiert („so you have to use your finger…which one do you want to use?“). Wir hinterlassen also einen Fingerabdruck, achten nun sehr auf unsere rechten Zeigefingerkuppen und testen es gleich im Sanitärgebäude. Mit Glück klappt es auf Anhieb und dann öffnet sich die Türe gaaaaaaaanz laaaaaangsaaaaaaam. Aber wir haben ja Zeit :-).

Nach einem ersten Rundumblick machen wir uns auf den Weg in die Stadt und ziehen abends noch einmal los. Vor allem deshalb, weil der Wind durch das Hafenbecken fegt und es außerhalb des Bootes a….kalt ist. Sobald man jedoch das Hafenbecken verläßt, wird es wunderbar warm. Uns fällt auf, dass es hier im Gegensatz zu Galizien sehr viele Cafés gibt, die ausschließlich Süßspeisen anbieten. Es gibt hier zwar mehrere Bäckereien (Padaria), sie verkaufen aber ausschließlich süße Backwaren, also kein Brot. Vermutlich lohnt sich die Brotproduktion für viele nicht mehr, weil große internationale Brothersteller (auch) in Portugal einen Großteil des Brotmarktes durch Belieferung der Supermärkte beherrschen (sollen).

Nach leckerem Abendessen in einem der wenigen Restaurants ist das vorher nicht sehr belebte Zentrum mit Menschen gefüllt. Der Kellner hatte uns bereits erzählt, dass heute die weiße Nacht ist. Viele tragen zumindest ein weißes Kleidungsstück, etliche sind ganz in weiß gekleidet, Frauen auf Stelzen präsentieren ihre langen weißen Kleider, andere sind als Engel mit großen Flügeln verkleidet, eine imposante weiße Spinnenfrau auf Stelzen stakst durch die Menge, die Frauen haben weiße Blumenkränze, die Männer weiße Hüte auf dem Kopf, dazu sind Bäume, Laternen und selbst die Kirche mit bunten Lichterketten behängt.

Auch hier ist der Unterschied zwischen Tag und Nacht eben der wie zwischen Tag und Nacht. Tagsüber wirkt manches ruinös, besonders die leerstehenden und verfallenden Häuser zeugen von der sehr schlechten finanziellen Situation Portugals. Für unser Touristenauge sind es Hingucker, verlocken zum Fotografieren, weil trotz des Verfalls die ehemalige Schönheit dieser Häuser zu erkennen ist und im krassen Gegensatz zu den eher langweiligen Neubauten incl. großem Garagentor und Alarmanlage stehen.

Die bunten Fliesen (Azulejos), die ganze Hausfassaden verzieren, haben eine lange Tradition in Portugal. Viele haben religiöse Bedeutung und schon hier bekommen wir einen ersten Eindruck von der Vielfalt und Schönheit dieser Fliesen. Selbst die Stadtgeschichte Povoa de Varzims wird auf einer großen Mauer mittels aufgebrachter Fliesen erzählt.
Eine Schönheit ist diese Stadt nicht, trotzdem hat sie etwas Anziehendes, dem wir uns nicht verschließen konnten/wollten. Und vielleicht zählt dazu sogar auch, dass in der Markthalle die Tiere noch vor den Augen der Kundinnen und Kunden getötet werden. Wir belassen es aber natürlich bei einem Vorher-Bild.

Und ansonsten: Hans hat in Baiona Haare gelassen, „Danke“ heißt auf portugiesisch „Obrigado“ (wir arbeiten natürlich fleißig an unserem Wortschatz) und die erste Flasche Sonnencreme ist geleert. In einigen Häfen benötigen nicht nur wir einen Adapter für den Landstromanschluß, frische Minze verträgt salzige Luft nicht gut und Wlan in den Häfen funktioniert fast nie. Abgesehen davon, dass an Karl immer etwas gebastelt, geklebt und geschraubt werden muß, haben wir im Moment tatsächlich keine anderen Probleme 😉

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