Gomera – Insel der tausend Barrancos

Wenn wir die Marina in San Sebastian verlassen, müssen wir nur die Straße überqueren und stehen schon im Zentrum der Stadt. Die Hauptstadt La Gomeras hat rund 7.000 Einwohner/innen. Recht klein, aber groß im Vergleich zu anderen Städten und Dörfern hier. Denn insgesamt leben auf der mit 380 km² zweitkleinsten kanarischen Insel nur 21.200 Menschen. Wenn die Kreuzfahrtschiffe in den Hafen einlaufen und deren Passagiere während eines nur kurzen Aufenthaltes in die Stadt strömen, ändert sich schlagartig das Straßenbild. Dann wird auch hoffnungsvoll ein Kunsthandwerkmarkt am Plaza de la Constitucion aufgebaut. Uns gefällt San Sebastian in dieser Überschaubarkeit gut, wir haben schnell die Panaderia (Bäckerei für uns) und Ferreteria (Baumarkt für Karl) unseres Vertrauens gefunden.

In alle Richtungen machen wir uns mit dem Mietwagen auf, um die Insel zu erkunden. Auf Gomera ist Autofahren ebenso spannend wie faszinierend. Die Insel der tausend Barrancos (Schluchten) zwingt zur permanenten Aufmerksamkeit, weil es die Serpentinen entlang mal einen Berg hoch, dann flugs auch wieder bergab geht. Manchmal sind die Straßen auch so eng, dass keine zwei Autos aneinander vorbei kommen würden. Auf die Straße gestürzte Steinbrocken sind keine Seltenheit und kleinere Nebenstraßen enden plötzlich im Nichts. Die versuchen wir aber ohnehin, zu vermeiden.
Hinter jeder Kurve bietet sich ein neues Bild, wir halten oft einfach nur, um die Natur zu bestaunen. Bei den enormen Höhenunterschieden sinken die Außentemperaturen in kürzester Zeit auch mal schnell von 25 Grad auf 8 Grad. Das hält uns aber nicht davon ab, an etlichen Straßenbuchten einen Stop einzulegen.

So durchqueren wir die Insel in alle Himmelsrichtungen, halten in kleinen Ortschaften, wandern, versuchen den nicht seltenen Regen zu ignorieren und fühlen uns im Nebelwald Garajonay wie in einer fernen Welt.

Auch die Wanderung auf den Alto de Garajonay, dem höchsten Punkt der Insel auf 1487 Meter, führt durch unberührte Natur (vom Wanderweg mal abgesehen). Die verheerenden Auswirkungen eines großen Brandes im Jahr 2012 sind trotz intensiver Aufforstungsprogramme im Nationalpark Garajonay noch überall zu erkennen. Besonders beeindruckt hat uns die Dokumentation dieses Brandes und seiner Folgen im Besucherzentrum Centro de Visitantes Juego de Bolas in Agulo.

400 m oberhalb des schönen Ortes Agulo befindet sich eine freitragende Konstruktion, deren Glasplattform wegen eines Sprungs in einer Bodenplatte allerdings seit längerem nicht begehbar ist. Dieser 2014 eingeweihte Skywalk am Mirador de Abrante wird samt Restaurant von der Firma Fred.Olsen S.A. betrieben. Ein Name, der auf dem kleinen La Gomera nicht nur durch die Fred Olsen-Fähren zwischen den kanarischen Inseln omnipräsent ist.

Einen erschreckenden Kontrast zu den behüteten und geschützten Naturschutzgebieten bietet eine große Investitionsruine am Playa de Avalo, 3 km nördlich von San Sebastian. Hier war offenbar bereits im Jahr 2000 eine große Hotelanlage geplant, für die etliches an Infrastruktur incl. Zufahrtstraße gebaut wurde. Fundamente, Laternen, Einfriedungen und Wege verrotten seit Jahren, die früher wohl beliebte Badebucht ist menschenleer. Ein trauriges Bild, das viele Fragen in einem eigentlich geschützten Gebiet aufwirft.

Gern besucht dagegen und einen Sprung ins Wasser wert ist die Badebucht in Valle Gran Rey. Viele deutsche „Aussteiger“ hat es früher hierher auf die westliche, die Sonnenseite Gomeras gezogen, um mit der Konsumgesellschaft zu brechen. Da wir uns ohnehin den Hafen in Valle Gran Rey bzw. Vueltas ansehen wollten und ich wegen einer hartnäckigen Erkältung meine Auslandskrankenversicherung nutzen wollte, habe ich mit der deutschen Arztpraxis Centro Medico in Valle Gran Rey einen Termin vereinbart. Die Arztpraxis würde ich (nicht nur wegen der problemlosen Kommunikation) jederzeit empfehlen. Der Hafen in Vueltas hat auf den ersten Blick im Vergleich zu San Sebastian bei uns nicht gepunktet. Valle Gran Rey ist auf jeden Fall nett…nett und viel deutsch. Hier gibt es sogar eine deutsche Metzgerei und vor allem deutsche Bücher. Nachdem ich mir bereits auf Teneriffa das Buch eines deutschen Auswanderers gekauft hatte, in dem er seine Probleme beim Einstieg in den Ausstieg schildert (Hans-Rudolf König: 10 Jahre Hölle im Paradies oder Von Menschen und Ausländern), habe ich hier von Helena Morgen zwei kriminale Reiseführer von La Gomera erstanden. Die Handlung ist nicht wirklich kriminal, aber der Part Reiseführer macht Spaß zu lesen. Außerdem und für mich ein must have: Zwei Ausgaben des Valle-Boten. Der Valle-Bote nennt sich selbst „Das ultmative Insel-Magazin * unabhängig * überparteilich * abgedreht“ und schreibt mal zynisch, mal augenzwinkernd, mal sarkatisch, mal satirisch, meist politisch kommentierend über das Geschehen im Tal der Könige (Valle Gran Rey), auf Gomera, in Deutschland und der Welt. Herausgeber ist der bereits über 80jährige Claus Heinrichs, der seit 1985 auf Gomera lebt. Mir hat das Lesen auf jeden Fall Spaß gemacht. Und dann gab es noch einen kleinen Zettel mit einer amüsanten Geschichte in dem kleinen Laden, in dem ich mir ein T-Shirt gekauft habe. Das Algo Diferente wird gegen die Weiterveröfftlichung wohl nichts einwenden (s. in der Galerie „Es war einmal…“).

Im oberen Valle Gran Rey hätten wir gerne das Restaurant Mirador Cesar Manrique am Mirador El Palmarejo besucht, so es denn geöffnet wäre. Der von Lanzarote stammende Künstler Manrique hat auch hier wieder bewiesen, wie gekonnt Architektur und Landschaft zu vereinbaren sind. Das Restaurant ist von vorne kaum erkennbar, perfekt in die Landschaft eingepaßt und bietet nach hinten mit einem großen Panoramafenster eine großartige Sicht. Leider findet das Restaurant seit Jahren keine/n neue/n Betreiber/in und kann nur durch den Garten von außen bewundert werden

Nachdem ich montags beim Arzt war, hatte Hans mittwochs einen Termin beim Physiotherapeuten wegen seines Rückens nach dem letzten Bandscheibenvorfall, um für unseren Start zu den Kapverden auch wirklich fit zu sein und nach wie vor auftretenden Schmerzen durch entsprechende Übungen gezielt entgegenzuwirken. Guten Mutes wird weiter gereckt und gestreckt.

Am Montag, 05.11., sollte es dann weiter Richtung La Palma gehen. Warum die Überfahrt erst im zweiten Anlauf am 06.11. reibungslos geklappt hat, schreiben wir im nächsten Blogeintrag.

Und sonst:
Das Gofio-Mehl hat unser Interesse geweckt. Dazu gehört natürlich auch der Besuch in der Molino de Gofio Los Telares bei Hermingua. Gofio diente früher als „Kraftfutter“ für die schwere Arbeit auf den Bananenplantagen. Meistens besteht es aus Mais, kann aber letztlich aus sämtlichem Getreide hergestellt werden. Wesentlich ist, dass das Korn vor dem Mahlen geröstet wird. Das Mehl kann für’s Müsli, zum Backen oder für Saucen benutzt oder einfach nur mit Wasser angerührt als Vorspeise gegessen werden. Unser erster Gofiokuchentest ist gelungen, kann aber noch perfektioniert werden.

Unser Restaurant-Tip in San Sebastian ist das La Forastera (z. B. Pulpo mit Humus).

Besonders gefreut haben wir uns über die Ankunft von Pia und Köbi mit ihrer Lupina im Hafen von San Sebastian, die ihre Freundin Nelly zu Besuch hatten.

Last but not least: Auf die für La Gomera zugesagte Übersendung des neuen Reglers von Silentwind haben wir gewartet und gewartet und… Leider hatte Silentwind vergessen, den Regler abzuschicken. Es wurde langsam doch etwas nervig, zumal wir ständig einen Hafen anlaufen müssen, um auf ein Paket zu warten. Da der Postweg ca. 2 Wochen dauert, haben wir also unser nächstes Ziel „Santa Cruz auf La Palma“ angegeben und um unserem nächsten Blogeintrag vorzugreifen: Mittlerweile ist der Regler tatsächlich in Santa Cruz angekommen.

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