El Hierro, die unbekannte…Schatzinsel

Neugierig auf die mit 278 km² zweitkleinste der bewohnten kanarischen Inseln erreichen wir den Hafen von La Restinga im Süden El Hierros mittwochnachmittags.

Karl ist noch nicht ganz fest am Steg, da steht schon ein äußerst netter „Security“-Mitarbeiter (der einzige hier) neben uns. Er macht mit seinem Handy Fotos von Ausweis und Schiffspapieren und erklärt uns in Kürze das weitere Prozedere: Marinabüro bis Montag nicht besetzt, Schlüssel zum Stegtor gibt es bei Dario (den wir irgendwo suchen sollen, aber nie finden), aber unsere Freunde vom Nachbarboot hätten ja einen Schlüssel, den wir dann auch benutzen könnten, Hasta Luego…weg ist er wieder. Na, das ging ja mal flott. Die Orientierung im Hafen ist auch mit einem Blick erledigt: Hafenmauer rechts, zwei Schiffe liegen dort mit Heckleinen und einer Mooringleine am Bug, ein paar Schwimmstege mit überwiegend Fischerbooten und ein paar Gastliegeplätzen, alle Plätze mit Wasser- und Stromversorgung, kleine Badebucht, Marinabüro, WC-Häuschen mit einer Toilette und Waschbecken für alle, Trockendock, Fischhalle, Hafenmauer rechts mit Anlegemöglichkeit längsseits für Gastlieger, ein Rettungsboot für Seenotfälle…übersichtlich und uns gefällt es auf Anhieb hier am südlichsten Punkt Europas. Pia und Köbi von der Lupina teilen gerne ihren Schlüssel mit uns, manchmal klettern wir aber auch einfach ums Hafentor herum.

Am nächsten Tag organisieren wir uns erstmal einen Leihwagen am Flughafen. Pia und Köbi müssen ihren Wagen am selben Tag zurückgeben, sie nehmen uns also mit zum Flughafen und wir die Beiden mit zurück nach Restinga. Wir vier Schlaumeier ;-). Auf dem Weg zum Flughafen sehen wir die 5 Windräder, die neben dem Wasserkraftwerk Gorono del Viento zur Versorgung mit erneuerbaren Energien auf El Hierro beitragen. Offenbar wird auf dieser kleinen Insel viel hinsichtlich unserer Umwelt verstanden und umgesetzt. So ist für die Zukunft geplant, dass alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse nach Biostandard produziert werden sollen. Auch damit punktet El Hierro bei uns. Dieses kleine Eiland mit nur 11.000 Einwohner/innen, wovon ca. 5.000 in der Hauptstadt Valverde im Nordosten wohnen, wurde im Jahr 2000 zum Biosphärenreservat erklärt und 2014 wurde die 1,12 Mio Jahre alte Vulkaninsel von der UNESCO als Geopark ausgezeichnet.

Wir bringen also Pia und Köbi zurück zum Hafen und wollen den Tag noch ein wenig nutzen. Badesachen ins Auto und ab die Post. Fast… Auf dem Steg lernen wir Eva und Fred kennen, die für mehrerer Monate auf verschiedenen kanarischen Inseln Urlaub machen, aber auch Seglerin und Segler sind. Sie haben von gemeinsamen Freunden von unserer Ankunft auf El Hierro erfahren und schnell ist eine Einladung in ihr Feriendomizil incl. warmer Dusche ausgesprochen. Abgemacht, Telefonnummern ausgetauscht und ganz angetan von diesem schnellen gegenseitigen Sympathiefunken fahren wir los zum Naturschwimmbad Tacoron, das 8 km von La Restinga entfernt ist. Einer von vielen wunderbaren Plätzen, an denen man in Buchten geschützt vor der starken Brandung, meist zudem mit Picknick- und Grillplätzen, schwimmen und schnorcheln kann. Nichts wie rein ins 20 Grad warme Wasser. Anschließend keine Lust auf Bordküche, lieber genießen wir in La Restinga die gute Fischplatte im Restaurant El Refugio. Sehr leckeres Essen, bei dem Hans aber leider eine Ecke vom Backenzahn abbricht. Oups…das schreit nach Zahnarzt. Am nächsten Morgen also früh los, damit wir um 9.00 h in der Hauptstadt Valverde sind. Die Praxis macht gerade Betriebsferien, Vertretung gibt es nicht, unter der angegebenen Telefonnummer meldet sich eine junge Frau, die kein Englisch spricht (und wir leider immer noch kein Spanisch) und auflegt.

In La Frontera haben wir mehr Glück. Mit einem Provisorium, Schmerztabletten und einer weiteren Behandlung mit endgültiger Füllung fühlt Hans sich in der Praxis dort gut aufgehoben. Nicht weit von der Arztpraxis entfernt steht, schon von weitem sichtbar auf einem Hügel, die Kirche Nuestra Senora de la Candelaria und gleich neben der Kirche befindet sich eine große Arena. Wir fragen uns zunächst, ob die Kirche hier wohl Freiluftmessen abhält? Völlig falsch getippt. Es handelt sich hier um die Lucha-Canaria-Arena, in der der Lucha Canaria (traditioneller kanarischer Ringkampf) ausgetragen wird. Sachen gibt’s.

Weiter geht es an die Nordwestküste zum Charco Azul, dem vermutlich schönsten Naturschwimmbecken El Hierros und dann in den Westen nach Pozo de Salud (übersetzt: Gesundheitsbrunnen). In diesem Kurort wundern wir uns über die doch recht maroden und wenigen Häuser, dann fällt uns das ziemlich neue Hotel Balneario auf. Ein bizarrer Gegensatz zur gegenüber liegenden verfallenden Casa Rosa, in der früher Kranke behandelt wurden. Am Ortsende eine Landzunge, wo die Brandung gegen die Küste donnert. Ein ganz spezieller und beeindruckender Ort auf El Hierro.
Ebenfalls imposant im Westen die Arenas Blancas mit Sandstrand und der Arco de la Tosca, mit ca. 25 Meter Höhe das größte Felsentor der Insel. Natürlich wollen wir auch den (nach wie vor betriebenen) Leuchtturm „Faro de Orchilla“ sehen, der sich in Nähe des ehemaligen Nullmeridians befindet, bevor dieser 1880 nach Greenwich verlegt wurde. Allein der weite Blick über den Atlantik fasziniert uns auch hier wieder.

Und dann komme ich mit Pia und Köbi von der Lupina voll auf meine Wanderkosten. Hans fährt uns zum El Sabinar, dem letzten Wacholderwald El Hierros. Durch die überwiegend gleiche Windrichtung verformen sich die Bäume, verdrehen sich regelrecht und sind in dieser Form weltweit einzigartig. Die Phantasie läßt hier sämtliche Formen und Tiergestalten in den verwachsenen, windgebeugten Stämmen und Wurzeln auferstehen. Geradezu märchenhaft. Von hier aus starten wir zu unserer 6stündigen Wanderung über die Hochebene La Dehesa (Weideland) zum Gipfel von Malpaso auf 1.500 m, dem höchsten Punkt der Insel, wo wir uns mit Hans während seiner Inselrundfahrt treffen. Vom Mirador Jinama aus haben wir später auf 1.240 m einen fantastischen Blick über das gesamte Golfo-Tal, während die Wolken gemütlich ins Tal gleiten. Am Nebelwald an der Raya de la Llania sammelt uns Hans dann am Ende wieder ein. Trotz anfangs anstrengender Steigung war es ein toller kurzweiliger Wandertag.

Am Tag danach Verschnaufpause in „unserem“ La Restinga. Das kleine Fischerdorf ist erst in den 1960er Jahren entstanden, hat nur 547 Einwohner/innen und lebt heute sowohl vom Fischfang als auch vom Tourismus. Große Lavamassen sind einst hier ins Meer geflossen, es gibt wenig Badestellen und 2011 mußte es wegen seismischer Aktivitäten sogar komplett evakuiert werden (2012 hat es dann auch tatsächlich einen Ausbruch im Meer etwa 2,5 km vor Restinga gegeben). Ein Tauchparadies, das mehreren Tauchschulen hier die Existenz sichert, südwestlich von Restinga bis zum Leuchtturm von Orchilla handelt es sich um ein 750 Hektar großes Meeresschutzgebiet (Mar de las Calmas). Zwischen den Wohnhäusern zwei kleine Supermärkte, einige Restaurants, Post, ein Informationsbüro, Bushaltestelle, Telefonzelle, ein paar Hotels und Appartementanlagen, ein paar verfallene Wohnhäuser, frischer Fisch im Hafen…nicht viel, aber für uns genug. Manches ist dabei sogar noch zuviel, z. B. der vermutlich selbstgebrannte Grappa in einem Restaurant, der nun wirklich ein flammender Abschluß nach leckerem Essen war.

Zwischenzeitlich ist auch die Tiger Blue in La Restinga angekommen ist, die Lupina sticht am nächsten Tag Richtung Kapverden in See. Nach vielen Umarmungen und guten Wünschen werfen wir zu Viert ihre Leinen los und winken, bis Pia und Köbi gut gelaunt hinter der Hafenmauer die Segel hissen. Immer wieder schön war’s mit Euch…laßt es Euch gut gehen, bis irgendwann zu Besuch bei Euch im Warmen 🙂

Das Fernweh ist schnell verflogen, denn El Hierro hat uns vom ersten Augenblick an für sich gewonnen. Nachdem wir einen Blick auf Puerto de la Estaca (Marina im Nordosten) geworfen haben, sind wir über unsere Marinawahl zusätzlich glücklich. Ein großer Fähranleger incl. Terminal in La Estaca dominiert die gesamte Hafenanlage, viele Stege sind verwaist, eine Infrastruktur, zumindest eine Bäckerei oder ein kleiner Supermarkt, scheint nicht vorhanden (immerhin aber mehrere Trimmgeräte)…der Hafen gefällt uns eher nicht, obwohl in landschaftlich wunderschöner Umgebung. Umso mehr gefällt uns der nördlich gelegene Ort La Caleta. Hier ließe es sich länger aushalten.

Ein fast romantischer Abend dann bei Eva und Fred in Montana Aguachicho. Ihre Unterkunft, ein Haus aus Lavasteinen gebaut, mit großer Terrasse und Blick ins Unendliche incl. Sonnenuntergang, kleine „Höhle“ mit offenem Kamin nebenan, köstliches Essen von Chefkoch Fred, gute Gespräche, guter Wein, eine warme Dusche und wir sind hin und weg…quasi am Festlandparadies genippt. Dankeschön für den wunderbaren Abend.

Taucherbrille, Flossen und Schnorchel hatten wir letztes Jahr noch auf die Schnelle in Frankreich gekauft. Mit den ausgeliehenen Neoprenanzügen der Tiger Blue schnorchelt es sich aber natürlich wesentlich angenehmer. Christian und Martina sind Taucher/in und haben das gesamte Equipment an Bord. Hans hält nichts mehr, als ihm Profi Christian eine Schnupperstunde Tauchen anbietet. Zunächst werden die Fische und Schildkröten aber noch beim Schnorcheln beobachtet.

Tags später wieder mit dem Auto unterwegs. Zunächst zur von Höhlen und Felsentoren umgebenen Badebucht Charco Manso an die Nordspitze El Hierros mit Blick auf La Gomera und La Palma, weiter zur Playa Carece und ganz besonders ungewöhnlich dann Pozo de las Calcosas. Von der Straße blicken wir ca. 50 Meter hinunter auf das Naturschwimmbecken und den gleichnamigen Ort. Die Ansammlung der Häuser, überwiegend aus Trockensteinmauern mit Strohdächern, irritiert, weil sich so gar nichts bewegt da unten. Das wollen wir uns näher ansehen. Also die aus dem Gestein gehauenen Stufen runter, vorbei an einer großen Neptun-Statue aus Gips und Pappmache, in den leer stehenden Weiler, der ausschließlich in den Ferienzeiten genutzt wird. Wieder ein sehr ungewöhnlicher Ort, den offenbar auch nur einige wenige Menschen durchqueren, um im Naturschwimmbecken zu baden.

Auf dem Weg zum Mirador de la Pena machen wir einen Abstecher zur kleinen Eremita Virges de la Pena, um den grandiosen Blick über das Golfo-Tal bis hin zu den Roques de Salmor zu genießen. Der von César Manrique entworfene Mirador de la Pena dann ist quasi ein Muß auf El Hierro. Der spanische Maler, Architekt, Bildhauer und Umweltschützer hat besonders Lanzarote geprägt, aber auch auf allen anderen Inseln seine sensiblen und unverkennbaren Spuren hinterlassen. Perfekt in die Umgebung eingepaßt, bietet das Gebäude aus rotem Lavagestein direkt am Steilabbruch zum Golfo-Tal von innen durch eine riesige Fensterfront des Restaurants einen berauschenden Blick auf das Tal von El Golfo. Das Restaurant hat gerade geschlossen, wir trinken im Barbereich einen Kaffee, knabbern Kekse (anderes gibt es z. Z. nicht für den kleinen Hunger zwischendurch) und ergötzen uns einfach am Ausblick. Wie gelungen Natur und Mensch doch in Einklang zu bringen sind.

Anschließend noch ein Abstecher zum Arbol Santo (heiliger Baum, weil wasserspendend) Garoe, dem Wahrzeichen El Hierros, ein schöner Unterwegs-Sonnenuntergang und dann geht unsere erste Woche auf El Hierro auch schon zu Ende. Zu schön ist es hier, um nach so kurzer Zeit schon weiterzufahren…

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