La Graciosa: Klappe, die erste…
Die letzten Tage in Arrecife sind etwas anstrengend. Der Wind pfeift durch die Wanten, aber wir versuchen, das Beste draus zu machen.
Wir wollen los, weiter Richtung Norden. Ob direkt zu den Azoren, nach Madeira oder aber doch noch nach La Graciosa? Alle Optionen sind offen und dementsprechend steigt die Anspannung. Am Sonntag ist es dann soweit. La Graciosa ist das Ziel. Wann es von da weitergeht, wird sich zeigen.
Morgens um halb sieben geht es aus dem Hafen. Gerade haben wir abgelegt, da wird uns klar: wir müssen warten. Die Hafeneinfahrt blockiert „Mein Schiff 1“ und es dauert gut eine halbe Stunde, bis das über 300 m lange Monstrum angelegt hat und wir vorbei können. Eine Stunde motoren, dann ist der Wind zurück. Gute 15 Knoten aus Nord. Segel hoch und Karl darf mal wieder zeigen, wieviel Höhe er laufen kann. Ein langer Schlag auf See hinaus, in der Hoffnung, daß es bis zur Spitze Lanzarotes reichen wird.
Dem war nicht ganz so. Trotz leicht mitlaufenden Stroms reicht es nicht ganz. Kurz vor der zweiten Wende meldet sich Mareije von der SY Karakter, die wir in Arrecife kennengelernt haben und meint, sie wären uns auf der Spur. Unter Motor haben sie uns mit ihrer wunderschönen Hans Christian 43 schnell eingeholt und dann gehen auch da die Segel hoch … zum gegenseitigen Fotoshooting. Die Zeit vergeht wie im Flug und schon können wir in den El Rio zwischen Lanzarote und La Graciosa einbiegen, um den Hafen Caleta del Sebo anzulaufen. Da wir uns erst am Samstag bei Porto Canarios angemeldet haben und der Hafenmeister Wochenende hat, verweist uns die nette Security-Fachfrau an den Längssteg. In der Marina sind zwar reichlich Plätze frei, aber über die entscheidet der Hafenmeister erst am Montag.
Wir hatten von La Graciosa viel gehört, gelesen und die Insel auch von Lanzarote aus schon gesehen. Aber daß es uns so gut gefallen könnte, haben wir nicht geahnt und letztlich sind wir froh, dass das Wetterfenster nur bis hierhin trug. Ein erster Rundgang durchs Dorf (etwas über 600 Einwohner/innen), ein gutes Essen im Restaurant am Hafen und die Insel hat uns schon so überzeugt, dass sie in unserer Kanarenrangfolge ziemlich weit nach oben rutscht.
Montag und der Hafenmeister ist im Dienst; wir dürfen zu den Segelbooten verlegen. Jetzt sind wir offiziell angekommen und registriert. Ausser dem Platz am Fähranleger ist hier weder ein Weg geflastert noch eine Strasse asphaltiert. Sandpisten auf der ganzen Insel, so auch im Dorf. Drei kleine Supermärkte, ein Kramladen (der fast alles hat), eine Metzgerei, Bäckerei, Post, Polizei, Schule und eine Krankenstation. Eine handvoll Restaurants überwiegend für die Tagestourist/innen aus Lanzarote und die wenigen, die etwas länger bleiben wollen. Autos Fehlanzeige, ausser einer geringen Anzahl an Landrovern der Bewohner/innen, wovon acht als Taxies lizensiert sind bzw. für Inselrundfahrten zu Verfügung stehen. Bleiben Mietfahrräder oder noch besser: die Insel zu Fuß entdecken. Wir entscheiden uns erst einmal zu einem Spaziergang zum Playa Francesa im Westen.
Am nächsten Morgen werden wir mit Grummeln geweckt. Im Südwesten braut sich eine Schauer- bzw. Gewitterfront zusammen, noch aber scheint die Sonne. Das Gewitter bleibt auf See, gegen Mittag fallen dann die ersten dicken Tropfen.
Beim Check unseres Satellitentelefons (Iridium GO!) stellt sich heraus, daß es seit Herbst wohl mehrere Updates gab und wir keine Mails mehr abrufen können. Nach Anruf beim Händler unseres Vertrauens ist klar, ersteinmal das GO! updaten. Dann beide Apps auf Smartphone und Tabletts deinstallieren und alles neu installieren. Vier Geräte haben wir, die wir eigentlich alle mit dem GO! verbinden können wollen. Nachteil: von Android 6-9 ist alles dabei. Jede Androidversion hat wieder ihre kleinen Sonderheiten. Kurzum: ich habe sowohl den ganzen Nachmittag als auch den nächsten Vormittag gebraucht, um drei Geräte in die Gänge zu bekommen. Das muss reichen, um die Wetterdaten auch auf See sicher empfangen können.
Zwischendurch wird noch der Autopilot repariert. Kurz vor La Graciosa ist der Antriebsriemen gerissen.
Nachmittags geht es zu Fuß Richtung Osten, um den zweiten Ort der Insel, Pedro Barba zu erkunden. Dieser ist seit den 1960er Jahren unbewohnt, wurde dann von einem Investor aufgekauft, mit Hilfe – na, von wem wohl – saniert und teuer an die Reichen und Schönen der Kanaren verkauft. Seitdem ist der Ort bis auf ein paar Wochen im Jahr so ziemlich tot. Alles hübsch gepflegt, sehr ansehnlich, aber leben tut hier niemand mehr.
Donnerstag, die Sonne knallt und wir entschließen uns, mit Karl zum Ankern und Schnorcheln zum Playa Francesa zu wechseln. Wir verbringen einen wunderschönen Tag, begrüssen die Fische und Karl bekommt untenrum einige Pflegeeineiten…soweit so gut. Um sechs entschliessen wir uns, wieder zurück in den Hafen zu fahren.
VORSICHT…. ab jetzt wird es blutig 😉 :
- ,Das Schicksal nimmt seinen Lauf und beim Anker hochholen meint die von mir ungesicherte Ankerklappe, meinen zweiten und dritten Zeh des linken Fusses oberhalb des letzten Gelenkes guillotinieren zu müssen. Einzelheiten lassen wir jetzt mal aussen vor. Nach einer perfekten Erstversorgung durch Silke, geht es unter Vollgas die 2 Meilen zurück zum Hafen. Silke bittet derweil telefonisch Mareije (die Spanisch spricht) im Hafen, einen Sanitäter oder Arzt im Ort zu finden. Minuten später werden wir von Michiel (SY Karakter), Natas und Jelle (SY Libra) im Hafen in Empfang genommen. Mareije hatte alles bestens organisiert und erklärt. Der Krankenwagen kommt mit Blaulicht und Sirene, ab in den Wagen zur 150 Meter entfernten Krankenstation, dort wartet der Arzt, entfernt den Verband und entscheidet, dass ich dafür nach Arrecife ins Krankenhaus muss. Da normalerweise keine Fähre mehr fährt, wird diese kurzfristig wieder in Gang gesetzt und bevor ich richtig weiss, wo ich bin, legt die Fähre mit zwei Sanitätern und uns auch schon Richtung Lanzarote ab. Silke hatte grade noch Zeit, ein paar Sachen zu packen. In Orzola auf Lanzarote angekommen, wartet der nächste Krankenwagen, um uns mit Blaulicht und Horn die 35 Kilometer nach Arrecife zu bringen. Eine abenteuerliche Fahrt für uns, aber ein Hoch auf die Fahrkünste der Sanitäter. Kurz nach acht (!) im Krankenhaus und dann ging alles viel „gemächlicher“, kein Wunder bei zig Leuten in der Notaufnahme. Anmelden – warten – Erstgespräch – warten – röntgen – warten und dann um elf kam der Chirurg. Der erklärte mir, daß sich beim dritten Zeh nur der Nagel gelöst hat und beim zweiten ein offener Bruch des Knöchels vorliegt. Da aber das Gelenk nicht betroffen ist: no problem…örtliche Narkose, mit sieben Stichen wieder zusammengenäht, den Nagel des andern Zehs wieder gerichtet, zurück ins Nagelbett gesteckt und während dessen der Assistenzärztin alles genau erklärt. Ein Profi, der sowas nicht zum ersten Mal gemacht hat. Auf die Frage, ob wir (voraussichtlich) am Montag nach Madeira weitersegeln können, auch ein „no problem“. Ordentlich Antibiotika, alle zwei Tage Verbandswechsel und nach zehn Tagen Fäden ziehen. Um 23.30 h stehen wir vor dem Krankenhaus. Silke hat inzwischen mit Frank von der SY Witch in der Marina in Arrecife telefoniert und einen Schlafplatz für uns organisiert. Um kurz nach zwölf werden wir von Frank begrüsst, um dann noch bis in die frühen Morgenstunden zusammen zu sitzen. Bei strahlendem Sonnenschein, nach gemeinsamen Frühstück, geht es dann mit dem Taxi zurück nach Orzola und von da, diesmal ganz regulär mit der Fähre, zu unserem wartenden Karl, der ein bißchen schuldbewusst auf uns wartet. Schliesslich war es seit neun Monaten das erste mal, daß wir auswärts geschlafen haben….
Auf diesem Wege möchte ich mich nochmals sowohl bei allen Beteiligten als auch für die lieben Genesungswüsche aus allen Ecken des Atlantiks bedanken.