Azoren – Frankreich, beim Langfahrtsegeln angekommen

Kurzversion

Samstagmittag, 18.05.19, geht’s zu unserer bisher längsten Etappe los. Azoren – Camaret sur mer, Bretagne . Das sind ca. 1200 Seemeilen, etwa 2400 Kilometer, heisst ca 10-12 Tage auf dem Atlantik. Das Wetterfenster verspricht eine ruhige Wetterlage mit vorherrschenden westlichen Winden. Leicht nervös und ein bißchen angespannt verlassen wir den Hafen. Liebe Wünsche werden uns von der Familie und unseren Freundinnen und Freunden mit auf den Weg gegeben. Es geht südlich am wunderschönen Sao Miguel vorbei. Orte, die wir von Land her kennengelernt haben und die wir jetzt wiedererkennen, sozusagen Revue passieren lassen. Ein schöner Abschied von den Azoren, auch das Wetter ist Azoren-typisch. Morgens noch strahlender Sonnenschein, dann Bewölkung, gepaart mit Sonne, ein kurzer Schauer… Vier Jahreszeiten an einem Tag… Das ist das Frühjahr auf den Azoren. Abends verabschiedet uns der Leuchtturm Ponta Do Arnel, der uns die abenteuerliche Autofahrt beschert hat. Tschüss Azoren. Diesmal gibt es keine Seekrankheit! (Ob es am Stugeron liegt?) Nur Silkes Erkältung ist immer noch akut. Die ersten Tage sind sonnig, die Nächte hell durch den abnehmenden Vollmond. Wir verbringen die meiste Zeit im Boot. Lesen viel, hören Hörbucher und Musik, morgens frühstücken wir zusammen und abends wird regelmäßig gekocht. Die Elektronik, sprich AIS und Radar passen auf uns auf. Raymarine steuert uns zuverlässig. Das erste Mal auf dieser Reise sind wir froh, den Windgenerator an Bord zu haben. Ja, er funktioniert jetzt und ist bei bedecktem Wetter ein Garant für den elektronischen Luxus. Bei dem vorherrschenden Schiffsverkehr, wir sehen in den ersten acht Tagen 2 Frachter in direkter Nähe und in weiter Entfernung (50 Meilen) nochmals zwei, ist das für uns vertretbar. Alle halbe – bis Stunde versichern wir uns per Rundumblick.

Ab dem sechsten Tag beginnen der Regen und die grauen Wolken. Die Sonne zeigt sich nur noch selten und es wird empfindlich kühler (kalt!) . Über Satellit bekommen wir von Wetterwelt einmal am Tag die aktuelle Wetterlage und es ist ein beruhigendes Gefühl zu wissen, daß sich die anfängliche Prognose nur in soweit geändert hat, dass es ruhiger geworden ist. Aber damit können wir leben. Zwischendurch motoren wir, weil es einfach zu langsam geworden ist und die Segel schlugen. Ab Samstag beschäftigen wir uns mehr und mehr mit der Ankunft. Sind wir zu langsam, droht in der Nacht von Montag auf Dienstag Starkwind aus Nord. Die Ankunft je nach Geschwindigkeit liegt zwischen Montagabend und Dienstagmorgen. Da mal wieder der Wind nachlässt und wir nicht bei Ankunft 25 kn Wind auf die Mütze bekommen wollen, motoren wir nochmals eine Nacht, um pünktlich im letzten Büchsenlicht in Camaret/Bretagne anzukommen. Im nächsten Wetterbericht wir der Starkwind gestrichen, der Motor geht sofort aus und es heisst vor dem Wind rolling home. Wir vertreiben uns die Zeit mit skip.bo, einem Kartenspiel. Draußen ist es diesig und nass. Pünktlich wie versprochen ist der Wind aber auch wieder zurück. Jetzt gilt es in der Biscaya den Festlandsockel von 4000 m Tiefe auf 200 m hochzuklettern. Da muss Karl sich ordentlich anstrengen. Waren es gestern 100 Delfine, so waren es in der Nacht 100 Frachter und Fischer, die unseren Weg in die Bretagne spannend gemacht haben. Mit Sonnenschein begrüßt uns Frankreich ??. Die letzten Meilen sind wie immer bei Langfahrt anstrengend. Gefühlt ist man eigentlich schon im Hafen, aber es sind noch immer 25 Meilen. Last not least werden wir am Spätnachmittag noch auf See vom französischen Zoll kontrolliert. Im abenteuerlichem Manöver übernehmen wir vier Zollbeamte. Zwei machen den Papierkram , zwei suchen nach Drogen, Waffen etc. Nach anfänglicher Anspannung auf beiden Seiten, verabschieden wir die vier eine Stunde später sehr herzlich. Drei Stunden später erreichen wir um halb neun, noch bei Tageslicht nach schnellen letzten Meilen den Hafen von Camaret sur Mer und machen nach neun Tagen und 6 Stunden fest. Ein tolles Gefühl, aber auch ein seltsames, leicht irritierendes, dass es tatsächlich geschafft ist.

Es war eine gute Überfahrt! Jetzt sind wir wirklich bei den Langfahrtsegler/innen angekommen. Das Wetter oder besser der Wind war auf unserer Seite. Wir haben etwas mehr als neun Tage gebraucht. Die tägliche Routine, das eins werden mit dem Schiff und ob 10, 20 oder 30 Tage, das spielt letztendlich jetzt keine Rolle mehr.

Logbuch

Erster Tag 18.5. Samstag -19.5. Sonntag

Mit Verspätung geht es los. Silkes Erkältung hat sich noch nicht gebessert. Trotzdem wollen wir das gute Wetterfenster nutzen. Tapfere Silke! Um zwei Uhr nachmittags springt der Volvo an und nach fast drei Wochen legen wir in Ponta Delgada Richtung Brest ab. Die direkte Strecke beträgt 1150 Seemeilen. Bei wechselnde Winden aus allen Himmelsrichtungen geht es an der Leeseite, also im Süden an der Insel vorbei. Am Abend erreichen wir das Südost Cap und segeln uns endlich von der Insel frei. In der hellen Vollmondnacht lässt uns der Wind dann aber doch noch mal im Stich. Bei Nieselregen flaut es ab und der Diesel muss nachhelfen. Der Spuk ist aber schnell vorbei und der vorhergesagte raume Wind setzt mit 10 Knoten ein. Am Morgen werden wir mit strahlend blauem Himmel geweckt. Wir sind nicht schnell unterwegs, aber trotzdem erreichen wir ein Etmal von 115 Seemeilen.

Zweiter Tag 19.5. Sonntag bis 20.5. Montag

Die Sonne scheint den ganzen Tag, im Laufe des Nachmittags frischt der Wind auf 20 Knoten aus West auf und Karl fängt an zu rennen. Im Umkreis von 100 Meilen kein anderes Schiff, nur der Frachter Alkimos Herakles hält seit zwei Stunden genau auf uns zu. Nach dem AIS liegt der nächste Annäherungspunkt bei knapp einer Meile. Nach Passieren des Frachters binden wir ein Reff ins Groß, um beruhigt in die nächste Vollmondnacht zu segeln… Auch der nächste Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein. Ein Frachter überholt uns auf gleichem Kurs, ein Hochssefischer geht nur knapp 5 Meilen von uns entfernt seinem Job nach. Der Wind hat in der Nacht weiter achterlich gedreht, vor dem Frühstück baumen wir die Genua aus.

Etmal 125 Seemeilen / gesamt 240 sm

Dritter Tag 20.5. Montag – 21.5. Dienstag

Der Himmel leicht bewölkt, jetzt am Nachmittag scheint die Sonne und wir hatten es kälter erwartet. Die neue Langwetterprognose von Wetterwelt sieht gut aus. Keine Schlechtwetterfront in Sicht, eher ein bißchen wenig Wind . Und das fängt schon am Abend an, unter 10 Knoten direkt von hinten. Wir segeln Schmetterling. Genua nach Steuerbord, Gross nach Backbord. Immerhin machen wir damit noch knapp fünf Knoten…Wir schleichen durch die Nacht… Wenig Welle, leise plätschert es an der Bordwand, ab und zu geht ein Ruck durchs Rigg, wenn ein Segel den Druck verliert. Der Vollmond versteckt sich hinter Wolken…heute bleibt es erstmal dunkel… In der Nacht verzieht die Bewölkung. Der abnehmende Vollmond leuchtet uns den Weg. Ansonsten bleibt alles sehr ruhig, wir ziehen mit 5 Knoten durch den ruhigen Atlantik. Der Vormittag ist wolkenlos, es bleibt weiter ruhig.

Etmal 110 Seemeilen / gesamt 350 SM

Vierter Tag 21.5. Dienstag – 22.5. Mittwoch

Der Wind dreht wie vorhergesagt auf SSW. Um 15.00 Uhr entfernen wir den Baum und holen die Genua wieder nach Backbord. Weiterhin strahlender Sonnenschein und Wind zwischen 15 und 20 Knoten. Schon am Abend wird es wie vorhergesagt windiger. Auch der Regen kommt wie vorhergesagt. Der Wind dreht wieder von SSW auf West und um halb fünf müssen wir im strömenden Regen und 20 Knoten Wind halsen. Sehr ungemütlich, aber es geht gut. Mittlerweile hat sich eine gewisse Routine eingestellt. Auch die morgendliche Sonne gehört an diesem Mittwoch dazu…

Etmal 121 Seemeilen / gesamt 470 SM

Fünfter Tag 22.5. Mittwoch – 23.5. Donnerstag

Wunderbare Sonne den ganzen Tag. Allerdings nimmt der Wind immer mehr ab. Gegen Abend dümpeln wir nur noch mit 2 – 3 Knoten über den ruhigen Atlantik. Wir entscheiden uns, den Motor anzuwerfen. Auch der Genacker würde uns in dieser Situation nicht weiterhelfen. So geht es mit lautem Motor in die ruhige, noch dunkle Nacht. 13 Stunden Motor… Die Ohren klingeln und nach schönem Sonnenaufgang kommt der Regen. Positiv: der Wind nimmt zu und ab acht Uhr können wir wieder segeln. Um neun haben wir die Hälfte der Strecke erreicht. 565 Seemeilen liegen im Kielwasser und genauso viele noch vor uns…

Etmal 115 Seemeilen / gesamt 585 SM

Sechster Tag 23.5. Donnerstag – 24.5. Freitag

Der Himmel ist grau, aber wir segeln wieder. Ganz langsam dreht der Wind von Südwest nach West Nord West (Halse) und bläst gemütlich zwischen 10 und 15 Knoten. Die Temperaturen sind durchaus erträglich. Nein, kalt ist es (noch) nicht. Aber zu früh gefreut. Mit auf Nordwest dehendem Wind und kompletter Bewölkung mit ab und zu Nieselregen wird es empfindlich kühler. Mit dunkelgrauem Himmel geht es in die sechste Nacht. Auch am Morgen bleibt es grau und nieselig, Der Wind hat auf Nord-Nord-West weiter gedreht und wir segeln jetzt am Wind. Gut, daß die See ruhig und der Wind nur um die 10 Knoten stark ist. So bleiben die Schräglage und auch die Bewegungen des Schiffes erträglich.

Etmal 120 Seemeilen / gesamt 705 SM

Siebter Tag 24.5. Freitag – 25.5. Samstag

Der Wind schwächelt, aber solange wir mit um die fünf Knoten vorwärts kommen, ist alles ok. Weiterhin bleibt der Himmel grau. Bis zum Abend bleibt es so. Der Wind kommt jetzt recht gleichmäßig aus Nord-Nord-West. Wir segeln noch immer einen Anlieger, dass soll sich auch bis übermorgen nicht ändern. Aber bei ruhiger See, Dünung zwischen 1,5 und zwei Metern und konstantem Wind durchaus erträglich. Die Wettervorhersagen einmal täglich über Satellit sind schon sehr beruhigend, zumindest dann, wenn sie so aussehen, wie im Moment. Wir haben für unsere Überfahrt eine sehr ruhige und konstante Wetterstation. Da wir mit Etmalen zwischen 110 und 120 Meilen aber trotzdem gut vorwärts kommen, ist uns das allemal lieber als Starkwind. Nur wärmer könnte es sein. Gestern morgen hatten wir das erste Mal Kondenswasser innen an den Scheiben. Wo bleibt der Sommer? Der neue Tag beginnt wie der alte geendet hat. GRAU. Im Laufe des Vormittags bricht tatsächlich ab und zu die Sonne heraus.

Etmal 115 Seemeilen / gesamt 820 SM

Achter Tag 25.5. Samstag – 26.5. Sonntag

Tatsächlich verzieht sich der Grauschleier und am Nachmittag kommt die Sonne heraus. Endlich wieder draußen in der Sonne sitzen. Allerdings ist auch der Wind weg. Nach neuestem Wetterbericht sollten wir möglichst am frühen Montag Abend ankommen, da ein kleines Starkwindgebiet in der Nacht durchzieht. Also läuft seit 10.00 Uhr der Motor, weil mit nur 2 Knoten die letzten Meilen lang werden. Gegen drei Uhr tauchen auf dem AIS die ersten Dampfer aus dem Biscaya Treck auf . Um vier ist der Wind wieder da. Aus Nordwest, halber Wind. Der Nachteil, es zieht sich wieder zu und abends fängt es wieder an zu regnen. Der Wind ist wieder weg. Mittlerweile sind auch die ersten Funksprüche wieder zu hören. Wir sind nicht mehr alleine. So geht es in die achte Nacht. Um vier kommt uns ein Frachter entgegen. Komischerweise ohne AIS. Aber das Radar hat uns rechtzeitig gewarnt. Gegen morgen kommt mir der Verdacht, daß mit dem AIS etwas nicht stimmt. Kein Frachter mehr weit und breit. Sonntagsfahrverbot? Abwarten. Morgens erst Sonne, dann Nieselregen, dann hunderte Delfine. Nach dem neuen Wetterbericht hat sich das Starkwindgebiet verzogen. Um 13 Uhr geht der Motor aus. Es geht langsam, aber unter Segeln weiter.

Etmal 135Seemeilen / gesamt 955 SM

Neunter Tag 26.5. Sonntag / 27.5. Montag

Platt vor dem Laken, rolling home… diesig mit Nieselregen, um die vier Knoten, immerhin…um 19 Uhr dreht der Wind auf Nordwest und nimmt auch zu. Genau wie vorhergesagt. Die Rollerei hat ein Ende und Karl beschleunigt. Der Festlandsockel liegt vor uns. Noch 150 Meilen bis Camaret sur mer. In der Nacht queren wir den Dampfertreck. Das hält die ganze Nacht wach. Gegen Sonnenaufgang ist es geschafft und nur noch vereinzelt sind Fischer unterwegs. Bei frischem Nordwest, 15-20 Knoten, geht es auf zu den letzten 80 Meilen. Das Wetter ist teilweise bewölkt. Hoffen, daß sich im Laufe des Tages die Sonne mehr blicken lässt und Wärme bringt. Frankreich begrüßt uns mit Sonne und es geht mit 14 kn Wind aus Nordwest unter Vollzeug Richtung Camaret.

Etmal 135 Seemeilen / gesamt 1090 SM

Montag Nachmittag 27.5.

Am frühen Nachmittag schwächelt der Wind ein wenig, dreht dann auf West und ist mit 15 Knoten wieder so, dass wir im Schnitt mit gut sechs Knoten segeln können. Um halb sechs Kontrolle auf See durch den französischen Zoll. Die letzten Meilen fliegen wir mit über 7 Knoten raumschots bei i. M. 15 Knoten nordwest Wind unter Vollzeug gen Hafen. Um halb neun machen wir in Camaret sur Mer fest.

Kleine Statistik

Für die letzten 50 Meilen haben wir ca. 7.5 Stunden unter Segeln gebraucht, das entspricht einer Durchschnittsgeschwinfigkeit von 6,6 Knoten. Theoretisches Etmal : ca. 160 Meilen

Zurückgelegte Strecke: 1138 Seemeilen, davon ca. 130 Meilen motort

Durchschnittsgeschwindigkeit 5.1 Knoten

Dauer: 9 Tage und 6 Stunden. (222 Stunden)

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