Santa Maria – Insel, die aus Träumen geboren
Delfine haben uns bis fast in den Hafen von Santa Maria begleitet, fröhliches Vogelgezwitscher weckt uns nach einigen Stunden Schlaf.
Auf den Kanaren haben wir nur selten Vögel gesehen oder gehört, auf den grünen Azoren fühlen sich offensichtlich auch die Vögel wie im Paradies. Wir stecken unsere Köpfe aus dem Boot und riechen förmlich das viele Grün dieser Insel. Frühstück auf dem Boot ist gestrichen… Da wir mit insgesamt 5 Schiffen über Nacht quasi in Santa Maria eingefallen sind, warten wir geduldig vor dem Marina-Büro, bis wir uns anmelden können. Das geht beim sehr sympathischen Sohn des Hafenmeisters fix und unkompliziert. Dann den kurzen steilen Weg hoch in die Stadt Vila do Porto und bei einem deftigen Frühstück genießen wir das Gefühl, auf den Azoren angekommen zu sein.
Klein und überschaubar ist Santa Maria mit insgesamt nur 5.600 Einwohner/innen, von denen über die Hälfte in Vila do Porto lebt. Und überschaubar ist auch die Marina, in der man schnell Bekanntschaft schließt mit anderen Segler/innen, von denen einige aus ganz unterschiedlichen Gründen schon länger hier liegen. Die Hafenbar mit Restaurant ist Treffpunkt für ein Bier zwischendurch oder für ein gutes Abendessen, wenn man nicht bis in die Stadt will. Am ersten Nachmittag treffen wir uns aber erst einmal auf der Karakter, um gemeinsam mit den Crews der Vela und Off Course auf die gelungene Überfahrt und Ankunft anzustoßen.
Auf Santa Maria reicht es eigentlich, nur loszulaufen und den Blick in die grünen Wiesen und Weiden fallen zu lassen. Die Orte sind klein, viele vereinzelte Häuser stehen leer und dienen nur noch als schönes Fotomotiv. Überall weiden Rinder, die auf Santa Maria nur für die Fleischverarbeitung gehalten werden. Milchkühe gibt es hier nicht. Um aber doch ein wenig über die mit Abstand älteste der Azoreninseln und deren Unterwasserwelt zu erfahren, besuchen wir das liebevoll eingerichtete Interpretationszentrum Dalberto Pombo in Vila do Porto. Abends treffen wir uns mit Heidi und Robert von der SY Pura Vida , die schon länger hier verweilen und sich bestens auf Santa Maria auskennen und unverkennbar wohlfühlen.
Traurige Stunden dann an unserem zweiten Tag in Vila do Porto. Der 67jährige Skipper einer niederländischen Yacht verstirbt morgens trotz sofortiger Reanimationsversuche. Die Stimmung in der Marina ist bedrückt. Seine Ehefrau hat immerhin gute Freundinnen und Freunde hier, so daß sie viel Hilfe und Beistand in ihrer Trauer bekommt.
Will man die gesamte Insel kennenlernen, kommt man auch auf Santa Maria nicht an einem Auto vorbei. Netterweise fährt Robert uns zum Flughafen im Inselwesten, wo wir unseren Leihwagen abholen. Mit dem kleinen Micra geht es dann zunächst nach Anjos, einem früheren Fischerort, im Nordwesten mit großem Naturschwimmbecken. Wie etliche andere Orte ist auch Anjos mittlerweile nur noch eine Feriensiedlung. Im Winter wohnen hier keine zehn Menschen, im Sommer aber erwacht der Ort zum Leben. Kolumbus hat man am Ortseingang kurz vor der stillgelegten Thunfischfabrik ein großes Denkmal gesetzt, obwohl er laut eigenem Bordbuch hier wohl gar nicht selbst an Land gegangen sein soll.
Hinter dem Ort laufen wir an der Küste über grüne Weiden, vorbei an neugierigen Rindern bis hin zu einer Bucht, in der etlicher Müll aus dem Meer angespült wurde. Auf dem Rückweg kraxeln wir noch ein wenig in der Höhle Furna de Santana. Ohne Taschenlampe kommen wir aber leider nicht weit. Dann fahren wir eben in die rote Wüste von Santa Maria, die Deserto vermelho, die durch den Abbau von bleihaltiger Tonerde entstanden ist. Nicht allzu groß (eher klein), aber in der Sonne ein schönes Farbenspiel auf dem lehmigen Boden. Über Sao Pedro Richtung Santa Barbara kommen wir an der Pilgerkapelle Nossa Senhora de Fatima vorbei. Ein Hingucker besonders durch die 150 Stufen lange Treppe, die zum Eingang führt. Von oben dann hat man einen schönen Ausblick und grasende Rinder fast im Kirchgarten.
In Santa Barbara gefällt es uns auf Anhieb. Gleich gegenüber der Kirche befindet sich der offensichtliche Mittelpunkt des 500 Seelen Ortes: die Dorfkneipe „Cervejaria Por do Sol“ (Cerveja = Bier) mit angrenzendem Minimarket. Hier hält jeder mal kurz an, um ein Bier oder einen Café zu trinken. Im Weiher hinter der Kirche quaken die Frösche, gewaschene Wäsche flattert auf den Leinen, Orangen hängen reif an den Bäumen, Katzen räkeln sich auf warmen Mauern…Urlaubsidylle pur.
Am 25. April dann ist Feiertag in Portugal; Tag der Freiheit in Erinnerung an die Nelkenrevolution 1974, die das Ende der 40jährigen repressiven Diktatur in Portugal einläutete. Viele Läden haben geschlossen, größere Geschäfte und Museen haben aber allenfalls kürzere Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen. Wir feiern auch: einen neuen Tag unseres Sabbatjahres und wollen deshalb zu einer der schönsten Buchten Santa Marias, zur Praia Formosa. Zunächst ein Abstecher zum Steinbruch, der mit seinen alten rostigen Gerätschaften aussieht, als sei er seit Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb. Der Schein trügt aber…
Der Strand an der Praia Formosa ist noch recht schmal, weil erst im Sommer viel Sand vom Meer angespült wird. Trotzdem ist die weite Bucht mit ihren Hängen und vereinzelten Häusern ein wirkliches Schmuckstück.
Nächster Halt: Farol de Goncalo Velho. Der 1928 gebaute Leuchtturm steht erhaben auf einem großen Felsen an der Süd-Ost-Spitze Santa Marias. Ein wirklich imposanter Ort, der schon von weitem den Blick auf sich zieht. Direkt am Meer unterhalb des Leuchtturms sind noch die Reste einer alten Walfangstation als ungewolltes Mahnmal erkennbar (bis 1987 wurden auf den Azoren Wale gejagt und getötet).
Auch Maia, etwas nördlich des Leuchtturms, ist nur noch Feriensiedlung mit einem Meerwasserpool und kleinem Hafen. Was Maja aber ganz besonders macht, sind die vielen Terrassen mit Weinanbau und der Wasserfall Foz da Ribeira do Aveiro am Ende des Ortes. Nach der Rückfahrt lassen wir es uns auch abends bei leckerem Essen und einem Glas azoreanischen Rotwein gut gehen.
Natürlich muß man in Santa Maria auch auf den höchsten Berg oder besser: die mit 587 m höchste Erhebung Pico Alto. Eine Gedenktafel erinnert kurz vor dem höchsten Punkt an eine Flugzeugkatastrophe, bei der am 8. Februar 1989 eine Boeing 707 an den Hängen des Pico Alto zerschellte. Alle 145 Fluggäste starben bei diesem Unglück. Mit einem beklemmenden Gefühl verlassen wir diesen geschichtsträchtigen Ort.
Nach kleinem Abstecher zur Quelle Fonte Clara geht es nach Sao Lourenco im Osten. Der Ort (auch hier fast alles Ferienhäuser, wir sehen maximal 5 Menschen) zieht sich die schmale Küstenstraße entlang, hinter den Häusern wird in den Hängen Wein angebaut. Die Ansicht von oben wie von unten ist einfach nur schön.
Weniger schön dann die Gebäude einer verlassenen Radarstation auf dem Weg zum Ponta do Norte. Kabel, Gerätschaften, Kücheneinrichtungen, Schrankeinbauten, Armaturen…ein Sammelsurium rottet in den Gebäuden vor sich hin, während sich ein paar Pflanzen langsam durch die zerstörten Fenster und Türen schlängeln.
Am nächsten Tag mache ich mich zu Fuß auf den Weg Richtung Valverde und komme an dem etwas sonderbar anmutenden Park Reserva Florestal de Recreio de Valverde vorbei. Picknickstellen mit Grillmöglichkeit, Kinderspielplatz, angelegte Blumenbeete, aber auch Rehe in einem recht kleinen Gehege, mehrere Vogelkäfige, einzelne Hühner in abgetrenten Parzellen, zwei einzeln gehaltene Pfaue in kleinen Parzellen – das wirkt etwas deplaziert, zumal die Tiere allesamt eher lethargisch wirken. Der Sinn dieser Tierhaltung erschließt sich mir nicht, aber das geht mir ja in Deutschland in vielen Zoos nicht anders.
Umso schöner dann die spätere Wanderung mit Heidi, Robert und deren Labradorhündin Ilha von Almagreira nach Praia. Hans holt uns in Praia ab, wir fahren zum Sundowner nach Anjos und gehen anschließend gemeinsam in Vila do Porto sehr lecker essen. Danach packt uns alle das saturday-night-fever und so beschließen wir kurzerhand, zur alten Festung oberhalb des Hafens zu gehen, in die der Motorradclub zu live gespielten „Rocklassics“ geladen hat. Natürlich gehören wir zu den Oldies des Abends, aber das paßt ja ganz gut zur gespielten Musik 😉
Und weil’s so schön war, ziehen Heidi und ich mit Ilha am nächsten Tag noch einmal die Wanderschuhe an. Robert fährt uns zum Pico Alto, wo Heidi mir eine weitere Gedenkstätte des Flugzeugabsturzes von 1989 zeigt. Hier werden sogar Flugzeugteile abgelegt, die auch nach 30 Jahren immer noch bei Waldarbeiten gefunden werden.
Von hier oben aus ist es ein abwechslungsreicher, aber sehr entspannter Weg nach Santa Barbara. Und wo kehren wir ein? Natürlich in der Cervejaria 🙂
Am nächsten Tag wollen wir weiter und wieder einmal würden wir die Weiterfahrt gerne noch ein wenig hinauszögern. Aber das Wetter läßt uns nur noch am Montag recht entspannt nach Sao Miguel segeln, also wieder alles gut verstauen, nochmal Wetter abfragen und den Wecker auf 5.30 h stellen.
Ansonsten: Das von Roland Kaiser auf deutsch gesungene Lied „Santa Maria“ verfolgt uns jetzt seit Wochen wie ein Tinitus. Kopf unter Wasser halten, Kopf schütteln, andere Musik hören, Luft anhalten und bis 10 zählen…nutzt alles nichts, wir werden es einfach nicht los. Wenn also jemand ein Gegenmittel kennt, wir würden das gerne ausprobieren.
3 Comments to “Santa Maria – Insel, die aus Träumen geboren”
Ihr seid schuld: Santa Maria, Insel, die aus Träumen geboren… Und ich mochte Roland Kaiser nie, hab jetzt aber trotzdem den Ohrwurm drin. Immerhin verbunden mit tollen Eindrücken und Bildern aus eurem Bericht. Bitte postet weiter so, ich bin sehr gespannt auf die nächsten Kühe auf sattgrünen Wiesen!
Grüße aus Tobago, ab 21.5. dann vom Hauloutplatz in Trinidad
Einfach schön, wie ihr Santa Maria und die Azoren erlebt. Es zeigt doch einfach, dass es überall auf der Welt noch schöne Flecken gibt. Voraussetzung ist ein offener Geist, der die schönen Dinge im Leben erkennt. Den habt ihr!!
Danke für eure Bericht, Pia und Köbi
Wir wissen ja, wer uns dieses Lob ausstellt…. Danke… ?